4.2. Biologische Invasion durch nicht-einheimische Ameisenarten

4.2. Biologische Invasion durch nicht-einheimische Ameisenarten



Immer wieder sieht man Berichte von Tierarten, die (beabsichtigt oder unbeabsichtigt) von Menschen in ein Ökosystem eingeschleppt wurden und dort enormen Schaden angerichtet haben (wie z.B. Wespen in Neuseeland, Waschbären in Deutschland oder Schweine in unterschiedlichsten Regionen der Erde), weil dort einerseits gute Lebensbedingungen vorherrschen (das Klima passt, Nahrung ist ausreichend vorhanden) und andererseits natürliche Fressfeinde fehlen. Auch unter den Ameisen gibt es dafür zahlreiche Beispiele, selbst Myrmica rubra, die kleine rote Ameise, die wir alle aus unseren Gärten kennen, gehört dazu und ist in den USA eine echte Plage geworden. Auch die eigentlich aus Südamerika stammende Feuerameise Solenopsis invicta richtet dort jährlich Millardenschäden an.

Das Problem ist also schnell benannt:


gelingt es einem Volk einer invasiven Art, aus einem Formicarium auszubrechen, besteht akute Gefahr! Wer versucht, Ameisen mit anderen exotischen Tieren (Spinnen, Reptilien, Vögel) zu vergleichen, macht einen bedeutenden Fehler: selbst wenn besagte Tiere in die Freiheit entkommen oder ausgesetzt werden und dort überleben können, so ist ihre Zeit doch recht knapp bemessen. Da diese Tiere oft einzeln gehalten werden und ebenso einzeln entkommen, können sie sich nicht fortpflanzen. Die Gefahr, die von ihnen ausgeht, erledigt sich also mit der Zeit, wenn die Tiere den Weg alles Irdischen gegangen sind. Bei ohnehin schon sehr dominanten Tieren wie Ameisen liegt der Fall etwas anders: hier entkommen meistens ganze Völker, also beispielsweise einige hundert Tiere samt einer begatteten Königin, welche ungestört weitere Nachkommen erzeugen kann. Nun kann man annehmen, dass auch dieser Fakt nur ein kleiner Nachteil ist, da es für eine weitere Königin dieser Art einer natürlichen Population bedarf, damit es zu einer Paarung von Geschlechtstieren kommen kann. Außerdem ist das Leben einer Königin ebenfalls begrenzt, ihr Tod bedeutet langfristig auch das Ende des Volkes.

Und da liegt ein weiterer, teilweise fataler Irrtum:


einige (nicht ohne Grund umgangssprachlich als „Pestameisen“ bezeichnete) Arten sind nicht nur polygyn (haben also mehrere Königinnen, wodurch sowieso eine genetische Vielfalt vorhanden ist, so dass die Nachkommen verschiedener Königinnen zur Paarung bereit stehen), sondern betreiben auch teilweise Inzucht. Das heißt, dass theoretisch schon eine einzige Königin, die sich mit selbst hervorgebrachten Männchen paart (Eier, aus denen Männchen schlüpfen, können auch schon vor einer Begattung gelegt werden, da sie nur einfache Chromosomensätze haben) eine riesige Kolonie mit unvorstellbarem Ausmaß hervorbringen kann. Nun könnte man ferner meinen, dass viele Arten in unserem Ökosystem nicht überleben können, was bei vielen Arten nicht von der Hand zu weisen ist. Allerdings gibt es auch Ameisen, die trotzdem eine sehr lebendige Plage darstellen. Sie überleben durch einen einfachen wie genialen Trick, denn was die Natur nicht hergibt, bietet der Mensch: In Gewächshäusern, botanischen Gärten und ähnlichen Einrichtungen finden sie Bedingungen vor, welche denen in ihrer Heimat sehr stark ähneln. Und dies gilt leider auch für z.B. Krankenhäuser, Restaurants oder Wohnhäuser! Fast jeder hat z.B. schon von den kleinen Pharaoameisen (Monomorium pharaonis) gehört, welche durch tausende Königinnen und einem Gespür für alle möglichen Gifte selbst durch erfahrene Schädlingsbekämpfer fast nicht zu beherrschen sind. Es handelt sich dabei um Tiere, die eine regelrechte Gefahr für den Menschen darstellen können (sie übertragen Krankheiten, zerstören die Bausubstanz von Häusern, usw.).

Und selbst darüber hinaus wurden bereits Fälle von etablierten exotischen Ameisen festgestellt - so besiedelt eine Pheidole pallidula "Superkolonie" in einer südhessischen Stadt einen ganzen Straßenzug, vermutlich in der Nähe wärmeführender Leitungen.

Haltung


Leider kommen selbst bei solchen Arten manche Halter auf die Idee, potentiell invasive Arten zu kaufen, zu halten, bzw. zu verkaufen und das obwohl wir wissen, was sie anrichten können. Müssen wir uns also überhaupt Gedanken machen? Jene Leute, welche Ameisen importieren und verkaufen, werden schon wissen, mit was sie da handeln, oder? Im Gegenteil! Die Bestimmung von Ameisen ist sehr schwierig, selbst für die wenigen Experten (und davon gibt es wirklich nur wenige) und manch einen Verkäufer interessiert es eben nicht, was mit den Ameisen später passiert. Kommt dazu Selbstüberschätzung seitens des Halters, entsteht ein gefährliches Gemisch.

Die Händler unterliegen bei alledem leider einem Zwang des Marktes:


Sie müssen immer wieder neue, interessante Arten anbieten, um konkurrenzfähig zu bleiben. Die angebotenen Arten werde von Sammlern auf der ganzen Welt aus der Natur entnommen und anschließend gelegentlich einfach falsch (sowohl absichtlich als auch unabsichtlich) oder unzureichend (also z.B. nur die Gattung) bestimmt. Man liest dann in diversen Internetshops z.B. Angebote wie „Pheidole sp.“ wobei sp. Für „Spezies“ steht, was nichts anderes bedeutet, als das es sich um irgendeine Pheidole-Art handelt. Das unter den unzähligen Pheidole-Arten, die es gibt, eine invasive existiert, ist sehr wahrscheinlich, evtl. sind es noch wesentlich mehr. Man könnte also behaupten, dass weder Händler noch Halter genau wissen, was da angeboten wird und welche Gefahren davon ausgehen. Auf der anderen Seite muss man sicher auch davon ausgehen, dass Tiere auch auf anderen Wegen zu uns kommen (z.B. als „blinde Passagiere“ an importierten Waren), was allerdings auf keinen Fall als Rechtfertigung für eine absichtliche Einschleppung dienen darf.

Klimawandel


Zu guter Letzt wird der Klimawandel und die damit einhergehende Erwärmung und mildere Winter es auch mancher Art einfacher machen, sich dauerhaft zu etablieren.

Ein kleiner Wegweiser zum eigenen Volk

Einleitung

2.Ameisenhaltung im Allgemeinen

2.1 Warum eigentlich Ameisen?
2.2 Die Ameisenhalterin, Der Ameisenhalter

3.Die Ameisenhaltung im speziellen

3.1 Winterruhe
3.2 Das Formicarium
3.3 Das Nest
3.4 Die Arena
3.5 Die Einrichtung
3.6 Die Ausbruchssicherung
3.7 Futter
3.8 Das erste Volk
3.9 Stress
3.10. Winterruhe

4. Gefahren durch Ameisenhaltung

4.1 Exoten
4.2 Biologische Invasion
4.3 Parasiteninfektion
4.4 Intraspezifische Homogenisierung
4.5 Fazit