Ethik der Ameisenhaltung

  • Ich würde an dieser Stelle gerne mit euch ein wenig über Ameisenhaltung im Allgemeinen philosophieren, da ich in vielen Threads sehr unterschiedliche Meinungen und Einstellungen zu unserem gemeinsamen Hobby heraushöre.


    Ist es moralisch vertretbar Ameisen zu halten? Engt man durch die Haltung nicht ihre natürlichen Lebensweisen ein, so dass sie sich im Formicarium gar nicht wohl fühlen können? Oder geht es ihnen durch die Grundversorgung mit allem Lebensnotwendigen sogar besser als draußen? Sind Ameisen in der Lage ihre Situation zu begreifen? Sind ihre Ausbruchsversuche Anzeichen ihrer Unzufriedenheit oder ein ganz normales Verhalten?


    Ich habe zu Tierhaltung sehr differenzierte Meinungen und werfe z.B. Vogelhaltern manchmal vor Tierquälerei zu betreiben, weil Vögel einfach nicht in Käfige gehören. Fischzucht hingegen finde ich vollkommen okay, solange die Tiere nicht durch starke Vibrationen gestresst werden (in Göttingen gibt es eine Disko, die Ärger mit der Aufsichtsbehörde bekommen hat, weil sie Fische in Nähe der Tanzfläche gehalten haben, nur als Beispiel).


    Eure Meinungen würden mich sehr interessieren und hoffe auf eine spannende Diskussion!

  • Guten Morgen!


    Da sprichst Du ein sehr interessantes Thema an und ich denke dazu gibt auch viele verschiedene Meinungen.


    Für mich ist die Haltung von Ameisen keine Tierquälerei und deswegen moralisch vertretbar. Allerdings kann dieses Hobby schnell zu Tierquälerei werden. Wenn die Ameisen beispielsweise zu wenig Auslauf haben oder völlig falschen Haltungsbedingungen ausgesetzt sind, quälen sie sich oft zu tode.
    Man merkt es auch, wenn sie sich unwohl fühlen bzw. wenn es den Ameisen an etwas mangelt.
    Ist beispielsweise die Arena zu klein, laufen sie oft am Rand der Arena entlang. Mangelt es Ihnen an Nahrung oder Feuchtigkeit, ist eine sehr hohe Aktivätät und Ausbruchsfreudigkeit zu beobachten.
    So oder so...sie begreifen ihre Lage nicht. Dazu fehlt den Ameisen einfach der Intellekt. Sie können nicht unterscheiden, ob sie in Gefangenheit oder Freiheit leben und reagieren rein instinktiv auf ihre Situation... also nicht nach dem Motto: "Huch, wir sind eingesperrt...na dann versuchen wir mal auszubrechen."


    Tierquälerei ist aber sowieso ein sehr dehnbarer Begriff... Man kann den Begriff verschieden definieren. Zum einen auf Gesetzesebene, zum anderen auf moralischer Ebene.
    Beispielsweise ist es gesetzesmäßig OK einen deutschen Schäferhund in einer Wohnung im 11 Stockwerk zu halten wenn man ihn mehrmals am Tag gassi führt. Moralisch ist das allerdings zweifelhaft. Ein Hund gehört nicht in eine Wohnung gesperrt finde ich.
    Ja, Vögel im Käfig zu halten ist auch nicht OK. Aber das hängt dann auch wieder von dem Käfig ab. Wenn er groß genug ist, geht das OK.


    Im allgemeinen ist bei jeder Tierart auf eine möglichst artgerechte Haltung zu achten.
    Auf ameisen bezogen heißt das, dass man möglichst große Arenen und eine Naturnahe gestaltung derer benötigt. Außerdem sollte man immer für natürliche Bedingungen sorgen. Wasser sollte man immer bereit stellen. Futter (Honig, Insekten) braucht man nichtmal täglich anzubieten...
    Eins ist ganz klar...egal was man macht, in der Haltung kann man nie die natürliche Umgebung darstellen (bei keiner Tierart)... Aber man sollte so nah wie möglich rannkommen!


    Gruß


    EastGate

  • So ganz ok finde ich die Ameisenhaltung eigentlich nicht. Das heißt aber nicht dass ich das als Tierquälerei empfinde. Ich finde es einfach nur lächerlich wenn dann solche Sachen gesagt werden wie "Ameisenhalter mit Ehre". Ich versteh nicht was daran ehrenhaft ist die Ameisen (oder andere Tiere) ein zu sperren. Ich halte selbst Ameisen und bin damit auch unehrenhaft, da mach ich mir nichts vor. Ich denke aber schon dass sich die Ameisen in der Haltung wohl fühlen können. Aber egal was man auch anstellt, das Formicarium wird nie mehr sein als ein goldener Käfig.

  • Ein sehr wichtiges Thema, das hier angesprochen wird... umso trauriger macht es mich, dass die Beteiligung so zu Wünschen übrig lässt. Aber es ist ein kleiner Trost, dass sich wenigstens ein paar Leute noch immer Gedanken über den moralischen Aspekt der Haltung machen.


    Obwohl ich ganz allgemein ANTertainers Meinung bin (eingesperrt ist eingesperrt, egal wie gut die Anlage ist), ist die Ameisenhaltung meiner Meinung nicht mehr oder weniger vertretbar als die Haltung anderer Tiere, sofern man wie EastGate richtigerweise geschrieben hat darauf aus ist, den Tieren naturnahe Bedingungen zu bieten. Ich würde übrigens "artgerecht" und "naturnah" nicht synonym verwenden, denn oft sind sogenannte artgerechte Bedingungen reine Festlegungen, die mit Naturnähe rein gar nichts zu tun haben. Ferner muss man aber sagen, dass man viele Ameisen viel eher naturnah halten kann als so manch anderes Tier, allein schon aufgrund des begrenzten Territorialanspruches. Wenn sie in einem Formicarium alles vorfinden, was sie benötigen, wird es ihnen da nicht schlechter gehen als in der Natur. Das merkt man unter anderem daran, dass sie bei guter Haltung viel weniger Platz beanspruchen, als wenn man sie depriviert. Fehlt es ihnen hingegen an etwas, vergrößern sie ihren Einzugsbereich auf der Suche nach idealeren Bedingungen... was wir dann als "Ausbruchsversuch" deklarieren.


    Da wir nun aber bei Ameisen sind muss man doch festhalten, dass wir uns bei einer Diskussion über die Haltungsethik auch darüber unterhalten müssen, dass die Ameisenhaltung mit der Haltung keines anderen Tieres Vergleichbar ist.
    Wir haben es hier im Gegensatz zu Hunden, Katzen, Vögeln, Fischen, Spinnen, Reptilien oder weiß der Geier was noch erstmal nicht mit einzelnen Exemplaren oder kleinen Gruppen zu tun, sondern mit hunderten oder sogar tausenden kleiner Lebewesen, die zusammen einen Superorganismus sondergleichen bilden. Abgesehen von der Zahl der Tiere endet unsere Verantwortung aber nicht beim Wohlbefinden der uns anvertrauten Lebewesen, sondern geht weit darüber hinaus. Von Ameisen gehen ganz besondere Gefahren aus, deren man sich einfach bewusst sein muss, um sie korrekt halten zu können. Jeder, der diese leugnet, hat meiner Ansicht nach nicht die moralischen Grundvoraussetzung für unser Hobby und sollte keine Ameisen halten, auch wenn er praktisch gesehen wohl in der Lage wäre, das zu tun.
    Des weiteren sind wir hier größtenteils auf Wildfänge angewiesen, da man Ameisen nicht einfach nachzüchten kann... das heißt wir können nie unser Tun damit rechtfertigen, dass die Tiere inzwischen gar nichts mehr mit ihren wilden Urformen gemeinsam haben und nicht vermissen können, was sie nicht kennengelernt haben (hört man oft bei Vögeln oder Hunden als Ausrede für völlig artfremde Haltung). Daher haben wir ihnen gegenüber auch eine besondere Verpflichtung.
    Und nicht zuletzt benötigt man für die Ameisenhaltung ein uneingeschränktes Bedürfnis nach Wissen. Die Ameisenhaltung ist so facettenreich, dass man sich quasi ständig neues Wissen aneignen muss. Es reicht einfach nicht, ein Buch zu lesen und dann weiß man Bescheid... hier muss man viel mehr investieren. Wer dazu nicht bereit oder fähig ist, ist als Halter ungeeignet.


    Es gäbe hier noch verschiedenste Punkte zum Thema Ethik und Moral in der Ameisenhaltung zu diskutieren, aber belassen wir es für's erste dabei und hoffen auf mehr Beteiligung. Hier nun noch ein paar Links, in denen sehr ausführlich einige ethische Themen besprochen wurden... möglichereweise gibt es da ja noch Klärungsbedarf oder Interesse:


    "Haltungsethik"
    Diskussion bezüglich Ameisenhandel
    Exotische Arten einfacher als einheimische!?
    Solenopsis invicta auf deutschem Boden

  • Das hängt sicherlich damit zusammen, dass es nicht leicht ist sich derart tiefgründige Gedanken darüber zu machen wie Du, und ob man dazu überhaupt bereit ist. Vielleicht liegt es auch an diesem angestaubten Begriff Ethik. Könnte den Thread ja in "Club der wahnsinnigen Ameisenphilosophen" ändern, das flashst mehr. Weisste bescheid.


    Der amoralische Aspekt liegt jeglicher Tierhaltung zu Grunde und zeigt die menschliche Dualität auf. Wir setzen unsere moralischen Grenzwerte immer wieder neu und so wie es uns "richtig" erscheint. Nur dass es vielleicht kein richtig und falsch gibt.


    Als ich vor knapp einem Monat drei lasius niger Königinnen einsammelte und mit nach Hause nahm (das klingt ja schon fast chauvinistisch...) hatte ich folgende Gedanken:
    Ich reiße diese kleinen Tierchen jetzt aus ihrer bisherigen Welt heraus. Sie werden dort nie zurückkehren, nie wieder die Natur sehen (soweit ein Grünstreifen neben einer stark befahrenen Straße Natur ist).
    Andererseits werden sie bei mir warm haben. Sie werden nie hungern müssen, werden nie gefressen, zerquetscht oder Opfer starker Regenfälle. Man ist wohl als Tierhalter ein egoistischer Wohltäter. Oder ein wohlmeinender Tierquäler? Ein böser Mensch? Ein Guter?


    Es gibt wohl keine endgültige Konsequenz. Was ist so mit euren Gedanken? Versetzt euch mal in die Lage eurer Kleinen (auch wenn das jetzt etwas blöd klingt) und überlegt wie's denen geht.

  • "Wahnsinnige Ameisenphilosophen"... ich wurde schon als Wahnsinniger und als Philosoph bezeichnet... beides zusammen und dann noch in Verbindung mit meinem Lieblingsthema ist klasse.


    Ein sehr interessanter Aspekt, den du da beschreibst, darüber kann man sich lange den Kopf zerbrechen (wobei drei Königinnen für mich weniger chauvinistisch klingen, dass du ihnen überlegen bist darfst du gern annehmen :D) und ich bezweifle, dass man hier eine allgemeine Aussage treffen kann, denn natürlich kann man jeden Aspekt aus mehreren Perspektiven betrachten. Vor einiger Zeit haben einige Kommilitonen und ich uns damit beschäftigt, ob es nicht eigentlich völlig widersinnig ist, die Natur kontrollieren zu wollen (das führt das Wort "wild" schließlich ad absurdum). Ausgangspunkt war, dass eine Vielzahl von Wildtieren heutezutage mit Peilsendern und Mikrochips rumrennen. Kontrolliertes Chaos? Sind es dann noch wilde Tiere oder schon Haustiere auf einem ziemlich großen Territorium? Mal einige Gedanken zu deinen Königinnen:
    Einerseits ist das völlig ok, denn die Wahrscheinlichkeit, dass eine solche Königin gar nicht zum Gründen kommt oder sie bzw. die Jungkolonie innerhalb des nächsten Jahres verstirbt liegt bei weit über 90%. Bei einem Schwarmflug von Lasius niger schwärmen so viele Individuen bzw. laufen so viele Jungköniginnen durch die Gegend, dass die Entnahme nicht annähernd auffällt. Auch ist die Entnahme mehrerer Kolonien nichts verwerfliches, sofern du sie entweder alle hältst oder die überschüssigen verschenkst. Hier müsste man wieder diskutieren: ist es ok, dass sich Menschen auf Kosten von Lebewesen bereichern? Und falls ja: wie weit darf das gehen?


    Andererseits ist es ganz klar egoistisch motiviert: man reißt die kleinen aus ihrer natürlichen Umgebung und sperrt sie zu seinem eigenen Vergnügen in einen Glaskasten, aus dem wegzugehen sie nicht frei entscheiden können. Ganz exakt natürliche Bedingungen sind auch nicht wirklich machbar... und seien es auch nur Kleinigkeiten. Und hier kann man wieder fragen: haben sie überhaupt einen freien Willen bzw. woraus sollte er denn resultieren, wenn alles da ist? Warum sollten sie weg wollen?


    Ich würde es mal so definieren: im Grunde genommen sind wir alle erstes mal Egoisten, denn aus altruistischen Motiven hält wohl keiner Ameisen (philosophisch betrachtet ist der Mensch zu Altruismus gar nicht fähig). Ich finde also die Bezeichnung "egoistischer Wohltäter" richtig genial! Für mich sollte der ideale Halter genau das sein: natürlich sind seine Motive von Grund auf egoistisch, aber er schadet mit seinem Egoismus nicht, sondern bietet seinen Ameisen möglichst perfekte Bedingungen und versucht, Gefahren (sowohl für die Tiere als auch im Allgemeinen) von vornherein auszuschließen. Für die Tiere ist das meiner Ansicht nach keinerlei Belastung, ganz im Gegenteil, so schlecht geht es ihnen im Formicarium ja nicht: Vollverpflegung, Platz, keine Fressfeinde... das befriedigt die Grundbedürfnisse Leben, Raum und Wohlbefinden. Ameisen leben außerdem an den Wunderlichsten Orten (z.B. bei meinem Opa im Badschrank :grinning_squinting_face: da würde ich definitiv nicht freiwillig einziehen), finden sie alles was sie brauchen, unterscheidet sich die Haltung somit kaum von der Natur. Anders sieht das aus, wenn ihnen etwas fehlt (z.B. zu wenig Platz, falsches Futter usw.).


    Resümierend heißt das für mich: die Grenze zwischen vertretbarer Haltung und Tierquälerei ist fließend und von Situation zu Situation neu einzuschätzen. Schuldig macht sich meiner Meinung nach, wer wider besseren Wissen oder gegen den Rat einer glaubhaften Quelle handelt, Gefahren verleugnet oder sich einfach nicht genug informiert und seinen Tieren dadurch schadet, somit also absichtlich oder fahrlässig zum Tierquäler wird. Wer allerdings sein Möglichstes tut/getan hat, hat sich nichts vorzuwerfen. Ferner glaube ich, dass man viele Arten problemlos halten kann, bei wieder anderen ist dies wesentlich aufwändiger, bei einigen nahezu unmöglich. Nicht, weil sie nicht in Gefangenschaft leben könnten, sondern einfach, weil die natürlichen Bedingungen kaum herzustellen sind oder aber ihre Haltung zu viele Risiken birgt.


    Mal rein hypothetisch einige plakative Aussagen, die ich für ethisch richtig/falsch halte:


    Moralisch richtig: "Die Art ist interessant und andere halten sie, aber ich tue das nicht, weil ich finde, dass ich ihr nicht gerecht werden kann. Ich mache keine Kompromisse" und "auch wenn die Art für mich haltbar wäre: es gibt Gefahren. Diese kann ich nur vermeiden, wenn ich sie nicht halte."


    Moralisch falsch: "Die Haltung birgt Risiken, aber ich versuche es trotzdem und hoffe, dass nichts passiert", "Ich kenne die Risiken und wurde darauf hingewiesen, aber sie sind mir egal, weil ich finde, dass das meine Entscheidung ist." und "Es passiert anderen, dass heißt aber noch lange nicht, dass es mir auch passieren wird".

    • Offizieller Beitrag

    Nur noch eine kleine Abschlussabhandlung, anscheinend ist die Diskussion ja soweit beendet- wobei sie das ja nicht sein muss :winking_face:
    Im Prinzip wurde auch alles gesagt- jedenfalls das, was ich auch gesagt hätte :grinning_squinting_face:


    Wenn man es so nimmt, dann ist Tierhaltung selbstverständlich generell so ein Streitfall- nicht nur bei Ameisen.
    Wie gesagt: Was ist besser? Ein Leben in Gefangenschaft, aber voll versorgt und ohne Feinde (außer der Halter setzt welche hinzu, was irgendwie kontraproduktiv wäre)? Oder eines in der Natur- frei- räumlich und im Entscheidungswillen- dafür aber vielen Risiken ausgesetzt?
    An dieser Frage werden sich die Geister scheiden.


    Ich kenne einen Veganer, der als Haustier eine Katze hat. Ist das jetzt verwerflich? Einerseits isst er nichts tierisches und versucht dadurch keine Tiere auszunutzen. Andererseits hat er selbst ein Tier sozusagen in Gefangenschaft. Übergeht er seine eigenen Prinzipien? Nutzt er die Katze zu seinem eigenen Vergnügen aus?
    Oder: Ist es der Katze nicht lieber so? Sie kommt freiwillig zurück, weil sie daheim bessere Lebensbedingungen vorfindet als in freier Wildbahn (wieder die Vollversorgung).


    Die Ameise als Instinkttier wird sicher nicht sagen: "Oh, da ist was zum Fressen in meiner direkten Umgebung, also bleib ich jetzt für immer da und erforsche den Rest der Welt nicht." Denn wenn sie so "denken" würde, dann würden ihr vielleicht viel besser Nahrungsquellen entgehen. Sie versucht also ein großes Territorium abzusuchen- was bei den Formicarien wohl zu Ausbruchsversuchen führt.
    Und auch bei Katzen oder was auch immer für domestizierten Tieren kann man solches Verhalten beobachten (Achtung: Ich spreche von domestizierten Tieren, eine Ratte würde wahrscheinlich nicht zurückkommen und auch wenn man einen Käfer halten würde, dann würde dieser sicherlich nicht bei freier Bewegungsmöglichkeit ins Formicarium zurückkommen).
    Sie kommen zurück, auch wenn sie vielleicht kilometerweit herumlaufen und dort die Umgebung erforschen. Und warum? Weil sie sich daheim wohl fühlen und dort ihre Versorgung vorfinden. Sie sind also frei und gefangen zugleich. Frei, weil sie hingehen können wo sie wollen, aber gefangen, weil sie von einer Nahrungsquelle gewissermaßen abhängig sind. Sie sind es einfach nicht gewöhnt, sich ihr Futter regelmäßig selbst zu jagen und der Jagdtrieb wird halt ausgelebt, indem man das Beutetier tötet- gefressen wird es selten. Ameisen sind es aber gewöhnt, selbst zu jagen, Nahrung zu suchen, warum also sollten sie sich von einer einzigen Nahrungsquelle abhängig machen und nicht versuchen, so viele wie möglich ausfindig zu machen?


    Summa Summarum machen wir uns tatsächlich insofern an den gehaltenen Tieren schuldig, dass wir ihren Lebensraum und ihre Handlungsfreiheit einschränken. Zum Ausgleich finden sie- bei guter Haltung und wie das wünschenswert wäre- möglichst optimale Lebensbedingungen vor.


    Wie würde wohl ein Mensch entscheiden bei folgender Wahlmöglichkeit? Alleine in der sibirischen Wildnis, frei...? Oder aber in einem begrenzten Areal, aber dafür voll versorgt? Diese Frage fände ich recht spannend.


    Ameisenhaltung finde ich vetretbar, da man den Kleinen eben versucht (normalerweise) gute Lebensbedingungen zu schaffen und sie als Ausgleich für ihre Gefangenschaft voll versorgt. Aber wie man sieht bleibt Tierhaltung- egal ob nun bei Ameisen oder bei anderen Tieren- ein Streitfall und die Meinungen werden hier immer auseinander gehen. Was für mich fest steht ist, dass den Tieren eine gute Lebensumgebung geschaffen werden sollte- leider ist das allzu oft nicht der Fall.


    Schöne Grüße,
    ice_trey


    Edit: Achja, was ich noch sagen wollte: Respekt an meine Vorredner, wirklich eine schöne Diskussion. Ich denke, viele Halter machen sich schon ihre Gedanken über die Vertretbarkeit und stellen sich irgendwann die Frage, ob es OK ist. Aber die meisten diskutieren dann halt leider nicht...

  • Also von mir aus können wir die Diskussion ruhig noch etwas fortsetzen, obwohl sie doch ziemlich philosophisch zu werden scheint. Ich muss gestehen, dass mich die Überlegungen zu diesem Thema seit Tagen nicht los lassen... in der einen Minuten meine ich, die Dissonanz gelöst zu haben, in der anderen fällt mir wieder ein Gegenargument ein. Und du wirfst wieder einige Punkte auf, die ich hoch spannend finde.


    Zitat

    Ich kenne einen Veganer, der als Haustier eine Katze hat.


    Erstmal muss ich sagen, dass ich selbst im Rahmen eines alternativen Vereines mit diversen Veganern verkehre... oder besser gesagt: sie verkehren mit mir :winking_face: als Fleischfresser bin ich dort eine Minderheit. In stundenlangen Diskussionen, in denen ich Fragen aufgeworfen habe (der Veganismus erscheint mir in einigen Punkten nicht logisch zu sein) gelangte ich zu einer Erkenntnis: es ist nicht die Tierhaltung im eigentlichen Sinne, die der Veganer ablehnt, sondern die Ausbeutung von Tieren (ob "persönliche Befriedigung/wohlgefallen da nicht auch drunter fällt steht auf einem anderen Blatt), deren Tötung, Tierquälerei in all ihren Facetten, das Fangen von Wildtieren und (jetzt wird es spannend) die Nachzucht von Tieren (was natürlich die Haltung impliziert, schließlich setzt diese immer Nachzucht oder Wildfang voraus). Das heißt: keine Tiere zu halten ist lediglich die Konsequenz dessen, was der Veganer glaubt. Warum das wichtig ist? Ganz einfach: der Verein, in dem ich mich aufhalte (oder viel mehr: der Besitzer der Lokalität) betreibt eine Art Gnadenhof... mit alten Tieren, die eigentlich getötet werden würden, "Findelkindern" oder Tieren aus dem Tierheim. Diese werden mit Hilfe von Spenden und Unterstützungsmechanismen allerdings sterilisiert (weil: Nachzucht unerwünscht). Dein Bekannter würde also im Sinne des Veganers nicht gegen seine Prinzipien verstoßen, wenn er die Katze z.B. aus dem Tierheim hat. Das ist natürlich unlogisch, denn wenn man Tiere aus dem Tierheim holt schafft man immerhin Platz für die Abschiebung eines weiteren Tieres. Und wenn man ausgesetzte oder ungewollte Jungtiere aufnimmt, unterstützt man indirekt deren unkontrollierte Vermehrung. Auch die Fütterung der Tiere verstößt gegen die Überzeugung, denn Katzen fressen nunmal keine Sojaprodukte... diese Argument haben (unter anderem) dafür gesorgt, dass man mich unter Veganern einerseits voll akzeptiert, andererseits mein aus ihrer Sicht eigentlich inakzeptables Verhalten nicht thematisiert. Außerdem besteht großes Interesse an meiner Ameisenhaltung :grinning_squinting_face:


    Es stimmt übrigens nicht, dass Wildtiere nicht wieder kommen... gerade Ratten und Mäuse gehen immer wieder da hin, wo's was leckeres gibt, das Gleiche gilt für Vögel. Viele Wildtiere kämen wieder, aber sie haben gegenüber domestizierten Tieren eine Sache nicht: ein evolutionäres Vertrauen gegenüber dem Menschen. Das beinhaltet auch, dass sie eben nicht "wissen", dass sie immer wieder was bekommen und daher natürlich auch nach anderen Quellen zur Bedürfnisbefriedigung suchen. Domestifikation heißt ja gerade, diesen Sachverhalt sukzessive abzubauen. Und bei nahezu allen "echten" Haustieren lässt sich trotzdem ein Revierverhalten ausmachen, das z.T. beträchtlich ist. Wie verschiedene Beispiele zeigen, sind Haustiere auch nicht unbedingt vom Menschen abhängig (z.B. streunende Hunde und Katzen, Halsbandsittiche im Rheingebiet, Schweine und Kaninchen in Australien und und und). Schränken wir also durch die Domestifikation wirklich die Tiere ein oder erweitern wir ihr Verhalten nur um das Vertrauen zum Menschen und nehmen ihnen die "Bürde der Suche"? Ferner: die Domestifikation sämtlicher Haustiere hat ja auch mal angefangen... mit einem Wildtier. Irgend einen Vorteil musste der Umgang mit dem Zweibeiner ja haben. Sollte das ein Beleg dafür sein, dass eine naturnahe Haltung mit all-inclusive-Versorgung den Tieren sogar einen Vorteil bietet?


    Zitat

    Wie würde wohl ein Mensch entscheiden bei folgender Wahlmöglichkeit? Alleine in der sibirischen Wildnis, frei...? Oder aber in einem begrenzten Areal, aber dafür voll versorgt? Diese Frage fände ich recht spannend.


    Stellen wir uns ein großes Gemeinschaftsbecken vor. Wir finden ideale Bedingungen für alle darin lebenden Tiere, quasi ein perfektes System. Der Halter hat an alles gedacht und die Kolonien entwickeln sich prächtig. Gelegentlich kommt es dennoch zu Ausbruchsversuchen, obwohl es eigentlich an nichts fehlt, diese sind aber höchst ineffektiv, denn die Ausbruchsicherung ist nahezu perfekt.
    Und nun mach folgendes: nenne das Formicarium Erde und die Ausbruchsversuche Raumfahrt, den Halter Alien. Den Rest kannst du dir sicher ausmalen.

  • Zu Andyxus :


    Ist es moralisch vertretbar Ameisen zu halten?


    Ich würde mich auch nicht irgendwie "Ameisenhalter mit Ehre" nennen.


    Engt man durch die Haltung nicht ihre natürlichen Lebensweisen ein, so dass sie sich im Formicarium gar nicht wohl fühlen können? Oder geht es ihnen durch die Grundversorgung mit allem Lebensnotwendigen sogar besser als draußen?


    Ich finde es kommt auf die Art von Formicarium an wenn ihr in einer blöden Gelfarm
    leben müsstet würdet ihr euch da wohlfühlen ?


    Sind Ameisen in der Lage ihre Situation zu begreifen? Sind ihre Ausbruchsversuche
    Anzeichen ihrer Unzufriedenheit oder ein ganz normales Verhalten?


    Ich finde nicht das Ameisen ihre Situation begreifen können
    aber wenn mann sich manche Haltungsberichte anschaut scheint
    es schon so zu sein


    Ich bin auch voll und ganz ANTertainers meinung


    Es ist ganz OK wenn ein Ameisenhalter Philosoph ist

  • Zitat

    Ich finde es kommt auf die Art von Formicarium an wenn ihr in einer blöden Gelfarm leben müsstet würdet ihr euch da wohlfühlen ?


    Stimmt auffallend! Aber darum ging es ja nicht, es ging um die Haltung nach obiger Definition, d.h. nach bestem Wissen und Gewissen.

    Zitat

    Ich finde nicht das Ameisen ihre Situation begreifen können
    aber wenn mann sich manche Haltungsberichte anschaut scheint
    es schon so zu sein


    Diese Aussage interessiert mich sehr, denn wenn du anhand deiner Schlussfolgerungen begründete Hinweise dafür siehst, wäre das eine echte Sensation in Bezug auf ihre kognitiven Fähigkeiten! Wie meinst du das? Welche Beobachtung sind für dich aussagekräftig genug, um eine gewisse Evidenz für diese Hypothese zu bieten?

  • Es heißt ja das nur der Mensch logisch denken kann.
    Aber in einem Haltungsbericht steht das die Königin ihre Larven
    auf die Watte legt damit die die Watte zum Verpuppen nutzen.
    Blos die Larven wollen das nicht die kullern immer wieder runter
    da legt die Königin einfach die Watte auf die Larven.


    Da könnte man doch denken dass die Königin logisch denken kann
    wenn sie logisch denken kann würde sie sowas auch erkennen.


    Da gabs noch ein Paar andere Sachen die ich jetzt nicht aufschreiben wollte.

  • Erstens: die Puppen nutzen die Watte nicht zur Verpuppung. Larven von Arten, die Kokonpuppen aufweisen, spinnen mit Hilfe ihrer Labialdrüsen einen Faden, der dafür verwendet wird. Die Larven werden auf die Watte gelegt, da dort möglicherweise eine andere Feuchtigkeit herrscht, die für sie optimaler ist.


    zweitens: hinter der von dir geschilderten Handlung steckt keinerlei Logik (und sparen wir uns an dieser Stelle seitenlange Definitionsversuche, wir wissen beide, dass wir sie in Form einer menschlichen "Alltagslogik" verstehen wollen). Logik würde hier bedeuten, dass die Queen eine in sich schlüssige Hypothese formuliert... also denkend schlüssig folgert "wenn ich die Larve auf die Watte lege, fällt sie herunter, also muss ich das irgendwie anders lösen". Das ist eben nicht der Fall: sie legt die Larve drauf und diese rollt herunter. Dann versucht sie eben was anderes. Das nennt sich "Trial and Error"-Methode... das ist keine Logik, sondern maximal operantes Konditionieren. Die Grundlage dafür liefern Instinkte (die Larven z.B. bei der richtigen Feuchtigkeit zu lagern).


    Man neigt häufig dazu, Verhaltensweisen zu "vermenschlichen", also z.B. einer Ameise Leistungen zuzuschreiben, zu der sie wahrscheinlich nicht fähig ist, weil sie es gar nicht sein kann! Selbiges gilt für das Bewusstsein über eine Realität, die sie nicht kennen kann. Wenn du mein Beispiel mit dem "Gemeinschaftsbecken Erde" verstanden hast, weißt du, was ich meine. Das ist so ebenso irrsinnig wie zu behaupten, man wüsste, wie das Leben nach dem Tod aussieht. Man kann daran glauben, aber wer meint es zu wissen, benötigt eine Therapie. Und diese Überlegungen lagen den obigen Posts auch zugrunde. Nicht, dass ich der Ameise keine kognitiven Denkleistungen zutraue, aber diese können wir allein aufgrund der Tatsache, dass wir eben Menschen sind und keine Ameisen, niemals verstehen. Und wenn wir sie nichteinmal verstehen können, wie sollten wir sie dann erklären, also unsere Hypothesen in Form von empirisch prüfbaren Gesetzmäßigkeiten und Randbedingungen, also das Explanans zum Explanandum, ausdrücken? Das ist, einfach ausgedrückt, unmöglich. Wir können nur wahrnehmen und (aus unserer eigenen Sicht) interpretieren. Beobachte ruhig mal, wie schnell Menschen Tieren, aber auch Gegenständen rein menschliche Eigtenschaften zuschreiben. Der Hund "sagt" mit seinem Schwanzwedeln etwas (obwohl er kein Wort gesagt hat :grinning_squinting_face: ) und der Scheibenwischer "rennt wie verrückt" (obwohl er nichteinmal ein Lebewesen ist, also weder rennen noch verrückt sein kann). Und bis zur Falsifikation unserer gängigen Theorie müssen wir also davon ausgehen, dass die Ameise in diesem und jedem anderen Fall instinktbasiert handelt und eben nicht kognitiv logisch schlussfolgert. Nicht weil es zwingend richtig ist, sondern weil wir nichts besseres als das haben.

  • Über die Wahrnehmungsfähigkeit und das Bewußtsein von Tieren wird ja schon lange emsig gestritten, im Falle der Ameisen werden wir wahrscheinlich schwerlich dahinterkommen. Man ist sich nicht mal einig darüber, ob Insekten Schmerzen verspüren können. Wie also sollte man herausbekommen, ob ihnen der Aufenthalt in Gefangenschaft gefällt? Wir können also nur bis auf weiteres von unserer menschlichen Interpretation ausgehen in Verbindung mit dem Verhalten der Ameisen, das wir als gut oder schlecht befinden.


    Mal ANGENOMMEN sie wüßten um ihre Situation, würden sie vielleicht selber nicht wissen, was ihnen lieber wäre. Wenn ich so über meine eigene Situation nachdenke: eigentlich bin ich selbst ein Gefangener, umgeben von strengen Regeln einer Gesellschaft, mit der ich oft nicht einverstanden bin. Ich fühle mich auch wie ein Gefangener und manchmal wird der Schrei nach Freiheit in mir laut. Andererseits bin ich aber auch froh nicht Wind und Wetter ausgesetzt zu sein, eine warme Mahlzeit am Tag zu haben und zum Arzt gehen zu können, wenn es mir nicht gut geht. Wenn ich frei wählen könnte: sehr schwierig, aber wahrscheinlich würde ich meine "Gefangenschaft" wieder in Kauf nehmen.

  • Nicht nur über die Wahrnehmungsfähigkeit bei Tieren wird gestritten. Schonmal was vom begriff des "Qualia" gehört? Dabei geht es um das subjektive erleben mentaler Zustände. Kurz gesagt: wie fühlt sich ein mentaler Zustand für ein Individuum an?


    Ein Beispiel: Du und ich sitzen in einem Raum, es hat 0°C und auf dem Tisch steht eine rote Tasse. Unsere Körper tun im Prinzip das gleiche: sie übersetzen sowohl den Kälteeindruck als auch den Stimmulus Tasse und die Wellenlänge des Lichtes, das von ihr reflektiert wird, in einen elektrischen Impuls und schicken ihn zum Gehirn. Dort angekommen werden diese Reize aufgrund der Tatsache, dass wir gelernt haben, was sie bedeuten, in die gleichen Informationen übersetzt: "kalt" "Tasse" und "rot". Aber jetzt wirds spannend: wir werden niemals erfahren, ob sich diese Dinge für dich auch genauso anfühlen wie für mich. Ob die subjektive Interpretation der Reize nicht für dich ganz anders ausfällt als für mich. Möglicherweise sieht die Welt für dich komplett anders aus, du siehst "rot" ganz anders als ich... nur, weil wir uns auf eine Sprache geeinigt haben, sehen wir beide "rot", aber wir sehen wahrscheinlich nicht das gleiche, auch wenn wir dasselbe sehen. Wir können also nichteinmal wissen, wie das Bewusstsein eines anderen Menschen funktioniert. Und dann das eines Tieres, das noch nichteinmal eine für uns verständliche Sprache spricht?


    Andyxus, im zweiten Teil sprichst du mir aus der Seele. Wir sind Gefangene. In der Gesellschaft, in Gesetzen, Gefangene des Mediums Geld, Gefangene dieses unseres Planeten, gefangene unserer Realität, unserer Sterblichkeit usw. und letztlich Gefangene in uns selbst. Aber welche Alternative hätten wir denn? Und: ist völlige Freiheit wirklich unser höchstes gut oder können wir froh sein, dass uns so manche quälende Entscheidung abgenommen wird? Wird Freiheit zum Teil überbewertet?

    • Offizieller Beitrag

    Wow, das geht jetzt zwar schon über die Ethik der Ameisenhaltung hinaus, aber joey, was du da sagst hat mich vor einigen Monaten auch schon einmal beschäftigt! Damals sagte ich zu einem Freund von mir: "Wer sagt eigentlich, dass wir beide unsere Umwelt genau gleich wahrnehmen? Wir sagen beide der Himmel ist blau, aber wenn ich in deinem Körper stecken würde würde ich vielleicht sagen: Moment mal, bei dir ist der ja rosa!" Eben, weil wir die Begriffe darauf geeinigt haben versteht jeder, was blau ist (außer ein Blinder, aber ich spreche ja von Menschen, die ganz "normal" sehen). Aber das heißt ja nicht, dass jeder das blau gleich wahrnimmt. Vielleicht ist es nicht so extrem, dass es für mich dann rosa wäre, aber vielleicht sehen andere Menschen das blau viel heller als ich, oder anders nuanciert, etc.
    Über die Themen, die wir alle angesprochen haben kann man wohl noch zig Jahre diskutieren, ohne auf einen Nenner zu kommen. Aber auf jeden Fall sind sie sehr spannend, finde ich. Da kann man gleich weiterdenken und sagen: Wer sagt eigentlich, dass es vielleicht Dinge gibt, die wir einfach NICHT sehen und wahrnehmen? Ein einfaches Beispiel hierfür ist das UV-Licht. Das sehen wir nicht, aber es ist da und manche Vögel können es wahrnehmen. Vielleicht gibt es noch viel mehr um uns herum, bloß können wir es einfach nicht für uns "übersetzen" und deswegen nicht wahrnehmen. Finde ich auch spannend, darüber nachzudenken.

  • Stimmt, mit Haltungsethik direkt hat das nicht mehr viel zu tun, aber indirekt schon. Diese Überlegungen sind ja einfach die Grundlage für das Verständnis von Ethik im Allgemeinen, denn auch "Ethik" und "Moral" sind vom Menschen geschöpfte und definierte Kunstbegriffe, die nur im Rahmen unserer Sprache und unserer Gesellschaft einen Sinn ergeben. Und von daher muss man sich einfach mal fragen: was ist das eigentlich und inwiefern können wir das überhaupt anwenden bzw. ist das eigentlich richtig? Es geht auch nicht darum, auf einen Nenner zu kommen, denn wie wir eben gesehen haben können wir das gar nicht, weil wir "richtig" und "falsch" auch alle ganz unterschiedlich wahrnehmen.
    Für mich ist es nicht nur interessant, darüber nachzudenken, sondern auch, mich darüber mit anderen auszutauschen. Überleg mal: wir sprechen hier über einen Fakt (welchen auch immer) und sind völlig unterschiedlicher Meinung. Wir streiten uns vielleicht sogar ganz bösartig darüber. Und nach einigen Tagen, in denen wir uns angefetzt haben, stellen wir fest: eigentlich sind wir gar nicht so unterschiedlicher Meinung... wir haben einfach aneinander vorbeigeredet, völlig unterschiedliche Sachverhalte gemeint und dem anderen unterstellt, dass er das weiß. Aber woher sollte er Dinge wissen, die mir allein zugänglich sind?


    Zitat

    Wer sagt eigentlich, dass es vielleicht Dinge gibt, die wir einfach NICHT sehen und wahrnehmen?


    Das hat mich mal tiefer beschäftigt, als ich gerade meine "esoterische Phase" hatte. Es gab da einen Autor, der behauptete, dass wir die Welten neben der unseren (es ging um übernatürliche Phänomene, also Geistererscheinungen usw.) nur deshalb nicht wahrnehmen, weil sie sozial überformt wurden, wir also gelernt haben, dass es sie nicht gibt und dass man sie nicht wahrnehmen kann. Übersetzt heißt das: wenn du dir sicher bist, dass es etwas nicht gibt. bzw. dass du es nicht sehen kannst, siehst du es auch nicht (also eine selbsterfüllende Prophezeiung). UV-Licht, Ultra- und Infraschall usw. sind da gute Beispiele: wir nehmen sie nicht wahr, weil unser Körper im Laufe der Evolution ver- bzw. nicht gelernt hat, sie wahrzunehmen. Aber geben tut es sie ganz sicher. Warum sollte das bei anderen Dingen nicht genau so sein? Und übertragen wir das auf eine gehaltene Ameisenkolonie: sie hat außer dem Formicarium nie eine andere Art der Existenz kennengelernt, für sie ist das Realität. Es mag eine andere Welt geben, aber sie weiß davon nichts und hat keine Chance, sie wahrzunehmen. Sie muss also davon ausgehen, dass es sie gar nicht gibt. Und mit dieser Aussage habe auch ich soeben wieder vermenschlicht: die Kolonie "geht davon aus"? Geht sie nicht... sofern sie über ein Bewusstsein nach dieser Definition überhaupt verfügt: sie wird sich damit überhaupt nicht beschäftigen... denn wenn ich mir über etwas Gedanken mache, muss ich zumindest entfernt wissen, dass es das geben könnte. Wüsste ich das nicht... worüber sollte ich mir dann Gedanken machen? Und daher bin ich mir auch recht sicher: selbst wenn eine Ameise über ein so komplexes Bewusstsein verfügt wie der Mensch (oder gar über ein komplexeres): sie kann sich ihrer Situation ("Oh Mist, ich bin gefangen") gar nicht bewusst werden.

  • Na wenn man eine Königin einfängt und diese in ein RG sperrt sucht sie doch auch erst einmal den Ausgang. Vorher war sie in der Freiheit unterwegs. Nur kurz, aber sie hat einen Vergleich zu ihrem Gefängnis. Nur weil sie Ihrem Instinkt oder besser dem Zwang Eier zu legen nachgeben muss, wird sie sich doch über diese Veränderung bewusst sein? Sie hätte den idealen Platz für die neue Kolonie gesucht, was auch hätte schief gehen können. Wahrscheinlich hat sie keine philosophischen Gedanken (hoffe ich), aber ich denke sie findet sich lediglich mit der Situation ab. Und vor allem gehe ich davon aus dass die Nachkommenschaft nicht die Vorstellung des "Eden vor dem Glas" in sich trägt.

  • Zitat

    Na wenn man eine Königin einfängt ... sucht sie ... den Ausgang...hat einen Vergleich zu ihrem Gefängnis.


    Hat sie nicht. Ihr Instinkt sagt, wie du richtig schreibst: "suche einen idealen Ort zum Gründen und tu es!" Sicher reagiert sie auf die Veränderung, aber sucht sie wirklich den Ausgang ("oh Gott oh Gott ich will hier wieder raus") oder ist das nicht eher nur deine Interpretation und sie erkundet lediglich ihre neue Umgebung? Und: "findet sie sich mit ihrer Situation ab" oder ist das nicht auch eine Unterstellung, sozusagen das, was du mit deinem menschlichen Verstand hineininterpretierst? Sich mit etwas abfinden heißt doch, das eigene Schicksal erkennen und sich ihm fügen... und eben das kann ihr (siehe oben) gar nicht bewusst sein. Ich glaube ganz im Gegenteil: wenn das eingesperrt sein für das Tier irgendwelche negativen Zustände bedeuten würde, würde sie ja gar nicht gründen... wir wissen alle, wie schnell sich z.B. Stressfaktoren auf die Legetätigkeit auswirken. Sie gründet, offensichtlich scheint ihr das RG der optimale Platz dafür zu sein und dem Instinkt ist Genüge getan. Das es sich dabei nicht um den normalen Weg der Gründung in der Natur handelt, kann sie wiederum nicht wissen. Somit sind wir wieder beim Ausgangspunkt.


    Zitat

    Und vor allem gehe ich davon aus dass die Nachkommenschaft nicht die Vorstellung des "Eden vor dem Glas" in sich trägt.


    Genau so sehe ich das auch... und das ist ja der springende Punkt: sie können diese Vorstellung überhaupt nicht haben.

  • Somit sei ja nun auch in Frage gestellt, ob "Fluchtversuche" mit der Unzufriedenheit der Tiere zusammenhängt oder ob es ein vollkommen normales Verhalten ist, um noch bessere Lebensgrundlagen abzuchecken. Schließlich sind den Kolonien in freier Wildbahn ebenfalls Grenzen gesteckt, sie sind nur nicht so offensichtlich wie eine Glaswand.
    Auch wenn es manchmal sehr hilflos und bemitleidenswert aussieht wie sich manche Emse abquält irgendwo rauszukommen, muss dies ja kein Anzeichen sein, dass mit der Haltung etwas nicht stimmt. Das Bemühen des Halters die möglichst "beste" Haltungsform zu schaffen wäre dann schließlich simpler Eigennutz, damit seine Betrachtungsobjekte nicht draufgehen. Unsere "Moral" schaltet sich dann genauso automatisch ein wie wenn wir darüber nachdenken, ob es "menschlicher" ist Bio-Eier zu kaufen statt aus Massentierhaltung.

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