Hallo,
da ich mich seit einigen Wochen intensivst an der Bestimmung diverser Myrmica Arten versuche und hier im Forum immer wieder nach genaueren Bestimmungen dieser Gattung gefragt wird, will ich euch nun einen Einblick in deren Bestimmung, und damit auch die Schwierigkeit eben dieser, geben! Als Verweiß an alle die anhand einiger mehr oder weniger guten Bilder eine Myrmica sp. bestimmt haben wollen.
Was man allermindestens benötigt:
-ein Binokular mit mindestens 60facher Vergrößerung und unbedingt Messokular
und/oder
-ein USB-Mikroskop mit mindestens 60facher Vergrößerung (Messokular wird nicht benötigt, da Verhältnisse per PC am Bild berechnet werden können)
und
- einen aktuellen Bestimmungsschlüssel (z.b. B. Seifert: Die Ameisen Mittel- und Nordeuropas, 2007)
An dieser Stelle will ich noch darauf hinweisen, das dies wirklich die allermindeste Grundaustattung ist und einige Myrmica spp. damit trotzdem nicht eindeutig bestimmt werden können. Ausserdem ist das Ergebnis auch in hohem Maße von der Erfahrung und der Sorgfalt des Bestimmers abhängig!
Im folgenden werde ich nun anhand eines Beispiels das weitere Vorgehen erklären!
Leider sind mir bei der Bestimmung einige schwerwiegende Fehler unterlaufen, die Bilder zeigen nicht Myrmica gallienii sondern Myrmica ruginodis. Ich bitte dies zu entschuldigen, aber es ändert nichts am grundlegenden Prinzip der Bestimmung von Myrmica spp. das ich euch zeigen wollte und kann auch beispielhaft für die Schwierigkeit einer sicheren Bestimmung stehen!
1. Natürlich braucht man zuerst einmal Material in Form von bestenfalls mehreren Myrmica sp. Arbeiterinnen aus dem selben Nest.
Zur weiteren Konservierung und Präparierung werde ich nicht im genaueren eingehen, es sei nur auf diese Seite verwiesen: Ameisenpräparation @ ameisen-net.de
2. Auch sehr hilfreich ist die genaue Kenntniss des Nist-Habitats. Allein dadurch kann schon einmal eine Auswahl von in Frage kommenden Arten getroffen werden, z.b. Wald -> Myrmica ruginodis, Myrmica lonae, usw. oder z.b. Trockenrasen -> Myrmica specioides, Myrmica sabuleti, usw.
Was aber nicht heißen muss, dass die Art, die man vor sich hat, dann auch in dieser Auswahl vorkommt.
3. Nun geht es ans sprichwörtlich Eingemachte, die Bestimmung der Art.
Es empfiehlt sich, sich erstmal in einer geringen Vergrößerungsstufe (z.b. 10fach) einen Überblick zu schaffen. Ein geübtes Auge kann dann schon anhand der Scapusbasis erkennen ob Myrmica rubra bzw. ruginodis überhaupt in Frage kommt. Zum Mikroskopieren selbst ist zu sagen, das auf eine möglichst gute Ausleuchtung des Objektes zu achten ist. Ich persönlich ziehe normales Tageslicht Kunstlicht vor, da viel bessere Ausleuchtung und weniger Spiegelungen. Ausserdem ist die Farbwiedergabe nicht verfälscht.
Zum Vergleich ein Bild unter LED-Kunstlicht wie es in den meisten USB-Mikroskopen eingebaut ist, und ein Bild nur mit Tageslicht am Fenster gemacht:
[Blockierte Grafik: http://picmirror.de/thumb.php/45379_myrmicarubra2.jpg][Blockierte Grafik: http://picmirror.de/thumb.php/45274_myrmica1.jpg]
4. Nun beginnt die genauere Bestimmung. Dafür eignen sich Vergrößerungen von 60fach bis 100fach am Besten.
Für die Bestimmung benötigen wir verschiedene Ansichten des Objekts, von Oben, von der Seite, Kopf von hinten und Kopf von Oben:
[Blockierte Grafik: http://picmirror.de/thumb.php/45381_myrmica12.jpg][Blockierte Grafik: http://picmirror.de/thumb.php/45383_myrmica13.jpg][Blockierte Grafik: http://picmirror.de/thumb.php/45382_myrmica14.jpg][Blockierte Grafik: http://picmirror.de/thumb.php/45385_myrmica15.jpg]
Oft braucht man ein wenig fingerspitzengefühl um die Ameise in die richtige Position zu bugsieren, gerade dann wenn das Mikroskop nicht frei justierbar ist im dreidimensionalen Raum.
Bei der genauen Bestimmung geht man nun Schritt für Schritt vor, so wie es im Bestimmungsschlüssel vorgegeben ist.
Den Start macht die Scapuskrümmung, betrachtet aus caudaler (von hinten) und dorsaler (von oben) Blickposition. Die Form und der Krümmungswinkel sind praktisch die wichtigsten Schlüsselmerkmale der verschiedenen Myrmica Arten und diese sollten nach Möglichkeit so genau wie möglich in Augenschein genommen werden. Auch verschiedene Blickwinkel sind anzuraten.
Hier einmal 3 Beispiele, zu verschiedenen Arten gehörend:
[Blockierte Grafik: http://picmirror.de/thumb.php/42019_myrmicarubra1.jpg][Blockierte Grafik: http://picmirror.de/thumb.php/41888_3.jpg][Blockierte Grafik: http://picmirror.de/thumb.php/45386_myrmica16.jpg]
Beim ersten Bild ist der Scapus aus allen Blickrichtungen nur kaum gekrümmt (<40°), beim zweiten Bild ist eindeutig erkennbar, das der Scapus weit mehr als 40° gekrümmt ist und zusätzlich sind noch gut sichtbare und auffällige Leisten und Verdickungen an der Krümmungsstelle und Scapusbasis vorhanden. Bei der dritten Art muss man dagegen schon sehr sehr genau hinsehen, denn hier ist eine Krümmung von ca. 55° vorhanden ohne irgendeine Verdickung oder Leiste.
Dies ist ein Grund für die Schwierigkeit der Bestimmung von Myrmica spp., viele wichtige Merkmale sind kaum erkenn- und unterscheidbar.
Der nächste Schritt ist dann immer, das Verhältnis von Scapuslänge zur Kopfbreite zu bestimmen.
[Blockierte Grafik: http://picmirror.de/thumb.php/45387_myrmica15%28-%29.jpg]
Das Verhältnis lässt sich entweder durch Ausmessen am Binokular mithilfe des Messokulars oder durch pixelgenaues Ausmessen am PC mittels Programmen wie z.b. ImageJ (freeware) und anschließendes ins Verhältnis setzen der Werte (Hier z.b. Wert für SL geteilt durch Wert für CW) bestimmen.
Beim Verhältnis Scapuslänge zu Kopfbreite und der Scapuskrümmung, sowie bei allen anderen Verhältnissen und Winkeln empfielt es sich jedes Bild mehrmals und auch mehrere verschiedene Bilder auszumessen und die jeweils erhaltenen Werte zu Mitteln, um Unterschiede die z.b. durch verschiedene Blickwinkel entstehen können zu minimieren.
Zusammen mit der Scapuskrümmung, kann man nun sicher zwischen Myrmica rubra / ruginodis und den anderen Arten unterscheiden. (In diesem Falle haben wir ein Verhältnis SL/CW=0.842 und einen Winkel von ca. 55°, was eindeutig gegen Myrmica rubra / ruginodis spricht).
Je nachdem was wir nun für Werte erhalten haben geht es unterschiedlich weiter. In diesem Beispiel muss nun die Form des Scapus untersucht werden, sind Leisten oder Lappen vorhanden usw. In unserem Fall sind keine Leisten und auch keine Lappen vorhanden. Auch ist die Krümmung eher weniger stark und Längskanten fehlen völlig.
[Blockierte Grafik: http://picmirror.de/thumb.php/45399_myrmica18.jpg][Blockierte Grafik: http://picmirror.de/thumb.php/45400_myrmica19.jpg]
Nun noch das Verhältnis der Stirnleisten zur Kopfbreite FR/CW, das Verhältnis Kopflänge zu Kopfbreite CL/CW und die Form des Petiolus bestimmen und wir sind hoffentlich am Ende bei der richtigen Art angelangt.
[Blockierte Grafik: http://picmirror.de/thumb.php/45396_myrmica15%28--%29.jpg][Blockierte Grafik: http://picmirror.de/thumb.php/45397_myrmica17.jpg][Blockierte Grafik: http://picmirror.de/thumb.php/45398_myrmica12%28-%29.jpg]
Hier haben wir die Verhältnisse FR/CW=0,405 und CL/CW=1,033. Zusammen mit der Form des Petiolus, abgestutzte Kuppe und konkaver bis stufenförmiger Abfall, und Petioluskuppe in dorsaler Sicht (von oben) breiter als lang, können wir diese Arbeiterin als Myrmica gallienii bestimmen und sind damit fertig mit der Bestimmung.
Wenn dann noch das Habitat passt (im Beispiel passt es) kann man von einer sicheren Bestimmung sprechen, wenn nicht dann ist entweder ein Fehler in der Bestimmung passiert oder es handelt sich um eine Kolonie die in einem für sie untypischen Habitat nistet (beides kann durchaus vorkommen).
Weitere Merkmale die in der Bestimmung von Myrmica spp. wichtig sein können sind:
- Verhältnis Länge der Propodealdornen zu Kopflänge SP/CL
- Art und Stärke der Skulptur an verschiedenen Körperteile
- Art, Form und Winkel der Scapuskrümmung und auch Leisten und Lappen an der Scapusbasis
- Tiefe der Runzeln auf dem Mesosoma in um
- Verhältnis der Breite des Postpetiolus zur Kopfbreite PPW/CW
- Länge der Körperbehaarung (in um oder im Verhältnis)
- Länge verschiedener Körperteile in um
- ...
Insgesamt ist die genaue Bestimmung von Myrmica spp. für die allermeisten eine schier unmögliche Aufgabe, selbst mit perfekten Bildern, und auch Profis können abundan einen Fehler machen (der wohl meist durch Erfahrung wieder wettgemacht wird).
Ich hoffe ich konnte einen kleinen Einblick in die Schwierigkeit und Kompliziertheit von genauen Myrmica Bestimmungen geben.
MFG