Intraspezifische Homogenisierung und Infektionsgefahr durch exotische Ameisen

  • Dieser Text ist eine Zusammenfassung dieses Threads, um das Thema verständlich, einfach und anschaulich zu übermitteln. Genauere, wissenschaftlichere Erklärungen und Einzelnachweise sind im Ursprünglichen Thread zu finden.


    1. Das Einbringen von Angehörigen einer Art in eine entfernet Population derselben Art oder "Intraspezifische Homogenisierung"
    In Europa leben viele Arten mit einem großen Verbreitungsgebiet. Obwohl es sich um die selbe Art handelt, kommen die Kolonien in den unterschiedlichen Regionen Europas mit lokalen Anpassungen daher.
    Beispiel: Die eine Population lebt eher in einer kälteren Region - sie ist auf einen langen kalten Winter eingestellt. Die andere Population lebt in einer wärmeren Region - sie ist auf einen kurzen, milderen Winter eingestellt.


    Kauft man sich Kolonien von Shops oder privaten Verkäufern, ist es sehr wahrscheinlich, dass man eine Art bekommt, die aus einer entfernten Region kommt, wo andere Bedingungen herrschen, als für die Kolonien derselben Art, die am Standort des Käufers leben. So leicht kommt man also zu einer Art mit lokalen Anpassungen.


    Kommt es nun dazu, dass man diese Kolonie mit spezifischer lokaler Anpassung freilässt und sich diese mit einer hier ansässigen Kolonie derselben Art kreuzt, die ja auch eine spezifische Anpassung für diese Region besitzt, dann kann es passieren, dass diese Anpassungen verwischt werden bzw. ganz verloren gehen. Die dabei entstehenden Kolonien (homogene Mischpopulation) sind dann nicht mehr perfekt auf die hier herrschenden Bedingungen angepasst. So können vorhandene Untergliederung einer Art in Ökotypen und eventuell Unterarten vernichtet werden.


    Erklärung anhand des Beispiels: Kreuzt sich die Kolonie aus der wärmeren Region mit der aus der kälteren Region in der kälteren, verliert die dabei entstehende Kolonie die spezifische Anpassung. In diesem Fall könnte es sein, dass die dabei entstehende Kolonie nicht mehr an die kalten Winter angepasst ist.


    Also:
    Keine gekauften Kolonien freilassen, wenn sie aus einer mehr als 50 - 100km entfernten Region kommen. Bereits bei einer Entfernung von 50 - 100km können neue spezifische Anpassungen vorliegen! Bei Käufen ist die genau Herkunft oft schwierig zu bestimmen, von daher sollte bei gekauften Kolonien generell auf das Aussetzen verzichtet werden!

  • 2) Das Risiko biologischer Invasionen
    Wird eine exotische, also Nicht-Einheimische Art, mit Absicht oder aus Versehen, ausgesetzt, kann es dazu kommen, dass diese Art ein passendes Plätzchen findet und sich hier in unserem Ökosystem etabliert und unsere lokale Fauna so verändert. Nicht jede exotische Art ist auch wirklich invasiv bzw. hat das Zeug sich in unserem Ökosystem einzunisten, aber zur Sicherheit sollte generell jede Art als potenziell invasiv angesehen werden. Man sollte also auf Experimente in dieser Richtung verzichten, denn ob eine Art gefährlich ist oder nicht, lässt sich oft erst sagen, wenn der Schaden bereits eingetreten ist. Darüber hinaus können Händler als auch Halter oft nicht genau bestimmen, um welche Art es sich wirklich handelt.


    Besonders Ameisen sind für lokale Faunen ein hohes Risiko, als viele andere exotische Organismen die aus der Haltung entkommen. Der Grund dafür ist, dass Ameisen in Ökosystemen oft sehr dominant sind und dass Ameisen als Kolonie und nicht als einziges Individuum vorkommen. Oft sind die Kolonien auch polygyn, was eine Inzucht im Gegensatz zu einer monogynen Kolonie noch wahrscheinlicher/einfacher macht.


    3) Die Gefahr der Entstehung weiterer Schadameisen oder invasiver Arten
    Bereits heute gibt es in Mitteleuropa mehr als ein Dutzend eingeschleppter Arten. Diese Arten halten sich meistens in Warmhäusern, Gewächshäusern, Botanischen Gärten oder Zoos auf. Einige Arten befallen auch Wohnhäuser, Krankenhäuser oder Restaurants. Unter diesen Arten befinden sich auch die Pharaoameise (Monomorium pharaonis) und einige Pheidole Arten. Andere Arten, die in Mittel- und vor allem Südeuropa überleben sind die Argentinische Ameise (Linepithema humile) und auch die Wegameise Lasius neglectus - beide Arten sind potenziell dazu in der Lage, zahlreiche einheimische Arten auszurotten.


    Die meisten dieser Schadameisen haben sich aus syantrophen Arten entwickelt, die seit langem durch den Handel weltweit verschleppt werden. Heute besteht zusätzlich noch die Gefahr durch Ameisenhalter. Es werden immer mehr exotische Ameisen von Händlern und Sammlern aus der Natur entnommen, darunter viele Pheidole Arten unter denen wiederum viele potenzielle Schadameisen sein können. Viele Händler und Halter haben oft keine Ahnung von der genauen Taxonomie und Artbestimmung. Dadurch ist das Risiko noch höher, eine potenziell invasive Art einzuschleppen.


    4) Die Gefahr des Überspringens von Parasiten und Pathogenen auf einheimische Ameisenarten
    (Von anderen Tieren) Eingeschleppte Parasiten können auf heimische Tiere/Arten überspringen und sie als Wirt missbrauchen, selbst wenn der ursprüngliche Wirt hier nicht überlebt. Dies gilt für Milben (Acari), Fadenwürmer (Nematoden), Einzeller (Protozoen), Pilze, Bakterien usw. Bisher weiß man nicht besonders viel über die Parasitenfauna der Ameisen und obwohl bis heute im Freiland noch keine Parasiten-Übertragung von nicht-einheimischen Arten auf einheimische nachgewiesen wurde, besteht dieses Risiko und ist deshalb ernst zu nehmen.


    Appell
    Wie ihr seht ist das Risiko, das von exotischen Ameisen ausgeht, sehr hoch. Aus genau diesen Gründen (und auch aus weiteren, praxisbezogenen Gründen) wird Anfängern von der Exotenhaltung dringendst abgeraten. Anfänger kennen sich in der Ameisenhaltung einfach noch nicht gut genug aus, insbesondere in Hinsicht auf die Ausbruchssicherung. Brechen die Ameisen plötzlich aus oder passiert etwas anderes, unvorhergesehenes, können die in diesem Thread genannten Gefahren schnell Wirklichkeit werden - die Folgen können unter umständen sehr gravierend sein. Auch erfahrene Halter, die sich Exoten anschaffen wollen, müssen sich der Gefahren bewusst sein und wissen, ob sie ausreichend für die Exoten sorgen können.


    In Kürze
    In Europa (Deutschland, Österreich, Schweiz, Frankreich, Spanien und England) ist seit einigen Jahren ein zunehmender Handel mit lebenden Ameisen zu beobachten, die privat gehalten werden. Händler liefern über das Internet angebotene Formikarien, Zubehör und lebende Ameisen, teils europäischer Herkunft, aber auch aus Übersee Südamerika, Indonesien, Australien.
    In dem Beitrag werden verschiedene durch diesen Handel begründete Risiken diskutiert: Entkommene Ameisen können
    (1) sich zu Schadameisen in Gebäuden entwickeln;
    (2) als invasive Arten im Freiland auftreten;
    (3) Parasiten und Krankheitserreger tragen, die möglicherweise auf einheimische Arten überspringen;
    (4) native Tier- und Pflanzenzönosen sowie ökosystemare Funktionen beeinträchtigen;
    (5) auch "intraspezifische Homogenisierung" könnte eintreten.

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