Aus Puppe schlüpft Nacktpuppe???

Heyo piereeitel,

es ist vollkommen unmöglich, dass eine Nackpuppe schlüpft, denn sie ist bis zu ihrer vollständigen Reife bewegungsunfähig. Denn wenn die Ameise letztendlich schlüpft, ist sie bereits voll entwickelt, wenn auch noch sehr weich und etwas "tapsig" bis der Chitinpanzer ausgehärtet ist. Sie bewegt sich also, kann ihre Mundwerkzeuge einsetzen etc. - ansonsten wäre es ihr ja auch gar nicht möglich, den Kokon zu verlassen.

Dennoch gibt es eine Erklärung für deine Beobachtung
Es wohl einfach so, dass bei dir neben Kokonpuppen parallel auch Nacktpuppen auftreten (die aber eben nicht aus den Kokons schlüpfen). Und das ist vollkommen normal - es wird in der Haltung immer wieder beobachtet.

Der Grund: An den glatten Wänden des Gründungs-Reagenzglases finden die Larven beim Verspinnen nicht immer genug Halt. Normalerweise ist es so, dass sie sich mit einem Spinnfaden aus ihrer Labialdrüse erstmal selbst fixieren, bevor sie sich langsam komplett einspinnen. Wenn ersterer Schritt misslingt und die Larve sich somit nicht einspinnen kann, bleibt sie eben ohne schützenden Kokon. Es entwickelt sich eine Nacktpuppe. Das kann auch in freier Natur vorkommen. Ich selbst habe einmal beim Hochheben eines Steins ein Formica fusca Nest entdeckt, bei der ca. 1/3 der Puppen eben nicht in einem Kokon war.

Ein Problem ist das hingegen nicht - die Nacktpuppen werden ganz normal umsorgt, beleckt und befeuchtet, bis sie eben schlüpfen. Was man von außen nicht sieht: Auch die Nacktpuppen haben eine sehr feine "Schutzhaut" um ihren Körper.

Hoffe das beruhigt dich etwas und erklärt deine zuerst einmal erstaunliche Beobachtung

Nun, dafür gibt es gleich mehrere potentielle Erklärungen:

1. Der Kokon hat eine Beschädigung, die Puppe steckt aber noch drin (das sieht man gleich), wenn man durch das Loch spitzelt.
2. Der ist Kokon leer, es hat also hat ein Schlupf stattgefunden. Es müsste also eine weitere Arbeiterin hinzugekommen sein, die evtl. noch ein wenig heller ist als der Rest der Arbeiterinnen. Ist das nicht der Fall, ist es natürlich auch möglich, dass die Arbeiterin nicht überlebensfähig war. Das, was du als Nacktpuppe ansiehst, könnte also in Wirklichkeit auch eine bereits geschlüpfte, aber tote Arbeiterin sein.

Bei meinen Camponotus herculeanus konnte ich das gleich zweimal beobachten - die tote Arbeiterin, die einer Nacktpuppe zum Verwechseln ähnlich sah (an den Körper gepresste Beine, sehr helle Haut, "weiches" Aussehen) wurde anschließend jeweils zerlegt, teils gefressen und teils als Baumaterial verwendet.

Oder hat etwa jeder der Kokons ein Loch?

Darüber habe ich auch schon nachgedacht, habe aber für mich keine Erklärung gefunden, warum die Arbeiterinnen das tun sollten. Ich für meinen Teil habe von solch einer Vorgehensweise auch noch nie gehört
Ist das jetzt eine Vermutung von dir, Erne, oder kommt das tatsächlich vor?

Nun, wäre wirklich interessant zu wissen - denn ganz normal fand ich das nicht, in einem wilden Formica-Nest gleich 1/3 Nacktpuppen vorzufinden - unter einem Stein und im Erdreich sollte die Verpuppung ja in den meisten Fällen ganz normal klappen... warum also diese Häufung?

Das ist ganz einfach: Myrmica rubra gehören zur Subfamilie der Myrmicinae (Knotenameisen, dazu gehören z.B. Myrmica, Messor, Pheidole,... ) und diese haben eben "nur" Nacktpuppen (evolutionstechnisch gesehen sind Nacktpuppen die "modernere" Variante)
Ebenso wie Formicinae (Schuppenameisen, z.B. Lasius, Camponotus, Formica, ...) eben eigentlich nur Kokonpuppen haben - Nacktpuppen sind hier etwas halbwegs "außergewöhnliches" (in der Haltung beobachtet man es recht häufig, in freier Natur seltener) und eigentlich nicht direkt "vorgesehen". Deine Myrmica rubra dürfen also ausschließlich Nacktpuppen haben, eine Kokonpuppe wäre hier tatsächlich eine Sensation

Der ganze Hintergrund von Kokonpuppen und Nacktpuppen war mir, als ich noch recht neu in der Haltung war, auch noch schleierhaft. Anbei ein Thread von 2008, in dem fragte, warum es überhaupt Kokon- und Nacktpuppen gibt: Klick. Find ich in dem Zusammenhang recht interessant und dürfte dir etwas weiterhelfen, Antfan.

MessorHolz: Nun, im AmeisenWiki steht, dass bei Formica bei Heißwetterperioden besonders häufig Nacktpuppen gefunden werden. Soweit überschneidet sich das auch mit meienr Beobachtung im freien Feld. Nur erklärt wird es nicht - warum ist das so? Sicherlich wird auch der Boden trockener, aber nimmt man an, dass der fehlende Kokon daher rührt, dass die Larve sich nicht richtig fixieren konnte, macht das nicht viel Sinn. Auch an trockenem Boden sollte sie ausreichend Halt finden. Zudem ist Ernes Frage, ob Kokons vielleicht nach der Verpuppung wieder geöffnet werden nicht ganz neu: Schon 2010 gab es auf eusozial.de dieselbe Fragestellung. Nur Antworten dazu findet man irgendwie nicht...