Identifizierung

  • Halli hallo,
    Seit ein paar Wochen beschäftigt mich ein Frage brennend. Doch jedes Mal wenn man sie stellt bekommt man sehr widersprüchliche Antworten.


    Die Frage, oder vielmehr der Fragenkomplex:


    Wie identifiziert man Ameisen? bzw Gibt es Literatur die einem dabei hilft.


    Beliebteste Antwort: Nutz die Suchfunktion.


    Hab ich. Hab auch ein paar Antworten gefunden. ALLE verweisen drauf die Suchfunktion zu nutzen. Super. Die Suchfunktion brachte also das Ergebnis das man die Suchfunktion nutzen soll. Das hilft mir echt weiter.


    Zweitbeliebteste Antwort: Ameisen zu identifizieren ist sehr schwer, bzw. dem Laien fast unmöglich und auch Experten können Ameisen nur mit einem Binokular-/Auflicht-/Elektronen-Raster-/"Beliebiges anderes teures-"mikroskop sicher identifizieren. Doch dazu später mehr.


    Ich habe mir auf gut Glück Mal ein Buch gekauft.


    "Bienen Wespen und Ameisen - Hautflügler Mitteleuropas"


    Auch hier steht: "Für eine Artbestimmung bei Aculeaten ist es daher beinahe in jedem Fall notwendig, das betreffende Insekt zu töten und zu nadeln. Nur mit einem Stereomikroskop sind dann die entscheidenden Struckturen (...) sicher zu erkennen"


    Aha, also ein Punkt für Antwort Nummer zwei.


    Der nächste Punkt der mich nachdenklich stimmt:


    Viele "erfahrene" Halter schreiben was für tolle Königinnen sie beim Schwarmflug dieser oder jener Art gefangen haben.
    Und auch die Händler fangen die meißten Tiere ja aus der Natur, und züchten sie nicht selbst.


    Wenn nun aber ein weniger erfahrender Halter wie ich mit dem Gedanken spielt sich beim Schwarmflug die eine oder andere Königin (bei mir im Garten sind es zum Beispiel schwarz-braune, bei denen die Arbeiter etwa 3 Mal so groß sind wie meine Lasius niger. etwa halb bis 1/3 so groß wie die LN-Königin) und rot-orange,in der selben größe, sehr aggressiv.
    Während die schwarz-braunen sich eher für Blüten und Blattläuse interessieren, scheinen die Roten eher an der Jagd interessiert zu sein. Und sie sind sehr aggressiv. Sie beißen und sprühen sehr schmerzhaft. Das gefällt mir.


    Aber als gewissenhafter Halter werde ich mich hüten eine Königin zu fangen ohne zu wissen was für eine Art das ist.


    Aber: Viele von euch tun das anscheinend. Man hört von entdeckten Serviformica-nestern, von diesen oder jenen gefangenen Königinnen...
    Und anscheinend könnt ihr sie tatsächlich genau genug identifizieren.


    Deswegen formuliere ich meine Frage nun um:
    Wie identifiziert IHR Ameisen? Ich nehme Mal nicht an, das ihr mit einem Stereomikroskop im Rucksack, oder einem REM auf dem Rücken durch den Wald oder Garten trabt.


    Also wie? Und kommt jetzt nicht mit "Erfahrung" denn auch die muss gesammelt werden. WIE habt ihr Erfahrung gesammelt?


    Wie kann ich die Wesen die zu beobachten mir in meinem Garten so viel Freude macht bestimmen?

  • Da hast Du Recht. Selbstverständlich benutzen (oder besitzen) die wenigsten geeignete Mikroskope, um viele Arten eindeutig zu identifizieren.


    Ich zum Beispiel habe mal Serviformica fusca gefangen und gehalten. Natürlich habe ich diese Art auch nicht mit einem Mikroskop oder sonstigem Werkzeug eindeutig identifiziert, aber dennoch denke ich, dass es ziemlich sicher F. fusca war.
    Um das zu bestimmen, habe ich mir natürlich nicht nur das Erscheinungsbild der Ameise angesehen, wodurch man schon einigermaßen gut die Unterfamilie und Gattung bestimmen kann, sondern auch die Umgebung bzw. den Lebensraum. Dabei entdeckte ich z.B. auch Nester der Blutroten Raubameise (Raptiformica sanguinea) - auch diese Art bestimmte ich nicht eindeutig mit einem Mikroskop o.ä.
    Aber da in diesen F. sanguinea - Nestern auch Arbeiterinnen der "anderen Art" (F. fusca) ein und aus gingen, war das schon mal ein Indiz, dass es sich bei den schwarzen Ameisen um Sklaven und bei den roten um Raubameisen handelte.


    Die Art habe ich dann "nur noch" durch Vergleich mit Billdern und anderen Angaben (Größe, Lebensräume etc.) bestimmt.


    Natürlich sind das keine wissenschaftlichen, hochsicheren Bestimmungsmethoden, aber mit meinen bescheidenen Mitteln und Kenntnissen reichte mir eine Sicherheit von vielleicht 95% völlig aus...

  • Dein Fragenkomplex ist schlichtweg ergreifend :smiling_face:
    Un da verdienst du auch eine Antwort.


    Manuel hat schon recht gut geantwortet und ich kann ihm nur beistimmen.
    Als ich vor "langen" Jahren (Da war noch nix mit Internet und auch Bücher wahren schwieriger zu finden als Heute) meine erste Bestimmung vornahm war das alles sehr ungenau. Ich habe mehr oder weniger auf Lasius niger getippt. Die Schwarmflüge waren Massenhaft, die Art war fast überall aufzufinden, ich hab sie mit Bildern verglichen (aus einem einzigen Buch, das ich damals zur Verfügung hatte) und die Art wahr relativ leicht zu halten (relativ - ich hab damals auch noch nichts von RG-Haltung und Ytong gewusst). Später habe ich mir mehrere Identifikationsschlüssel besorgt anhand derer, und mit Hilfe einer kleinen Lupe, ich schon besser beim Identifizieren wurde. Und, weil ich beim Bestimmen ein klein wenig kleinlich bin, hab ich es irgendwie geschafft mir ein, für Amateure nicht schlechtes, Stereo-Mikroskop zu besorgen.


    Damit geht es inzwischen viel leichter aber, wie schon gesagt, man kann nicht immer auch die Art bestimmen - auch mit ´nem Mikro nicht. Mit Erfahrung kann man schon recht sicher die Gattung bestimmen. Die Art zu bestimmen ist aber fast unmöglich wenn man die Tiere nicht unter eine "Lupe" nimmt. Angaben über Biologie und Fundort können sehr hilfreich sein - und bei manchen Schwesterarten auch die ausschliessliche Bestimmungsmethode.


    Letztendlich kann man sich fast nie 100% sicher sein was für eine Art man hat. Deshalb sind die Bestimmungen die wir Ameisenhalter hier so angeben immer mit ein klein wenig Distanz zu betrachten, besonders wenn es sich um nicht weit verbreitete Arten oder Gattungen handelt. Zudem ist auch die Wissenschaft in mancher Hinsicht noch nicht weit genug um wirlkich sichere Bestiummungen vorzunehmen z.B. wurde vor kurzem eine Arbeit veröffentlicht, die Feststellt, dass die Arten Tetramorium caespitum und Tetramorium impurum, die ohnehin schon extrem schwer zu unterscheiden sind, in SIEBEN Arten zu unterteilen sind. Da die Untersuchungen auf genetischer Basis vorgenommen worden sind, hat man noch nicht einmal die Arten benannt, weder ihre möglochen morphologischen Unterschiede genauer bestimmt.


    Also...ist alles nicht so ganz einfach aber ich hoffe, ich habe dir einen kleinen Einblick verschafft und auf deine, beeindrukend strukturierte, Frage zufriedenstellend geantwortet.

  • Zitat

    Doch jedes Mal wenn man sie stellt bekommt man sehr widersprüchliche Antworten.


    Das kann ich kaum Glauben, da es wenige Personen in Deutschland gibt, die zuverlässig alle deutschen Arten identifizieren können... hierzu gehört ua Bernhard Seifert.


    Und Bernhard Seifert ist auch das Buch "Ameisen, Beobachten Bestimmen" zu verdanken, anhand dessen die gefangenen Arten relativ gut identifiziert werden können.


    Aber: dazu gehört eine Menge Routine und eine gute Ausrüstung.


    Die meisten gefangenen Arten sind lediglich nach dem KO-System (Farbe, Größe, Herkunft, grobe Merkmale) geschätzt, auch spielt die Häufigkeit des Vorkommens eine Rolle... nichts desto trotz: geschätzt!
    Ich vermute einfach mal, das eine Großzahl der gefangenen Arten schlicht falsch bestimmt sind. Alleine die bekannte Lasius niger bietet reichlich Verwandtschaft auf, mit denen sie gerne verwechselt wird.


    Auch die Shops sind vor Fehl-Schätzungen nicht gefeit: wurde doch fleissig eine oder mehrere O. smaragdina-Königinnen und Kolonien als O. longinoda verkauft... auch kein Einzelfall.
    In einem anderen Beispiel wurde eine bedrohte Art öffentich zum Verkauf angeboten... nach Mailhinweis an den Verkäufer wurde diese dann schlicht umbenannt...
    Mittlerweile spart man sich ja derartige Verwechslungen und schreibt stumpf spec... wird ja eh gekauft.


    Zitat

    Und anscheinend könnt ihr sie tatsächlich genau genug identifizieren.


    Nunja... was ist genau genug?
    Genug, um diese Arten halten zu können?
    Ja, meistens.

  • Hallo MortumAmoris,


    Ich schließe mich meinen "Vorrednern" an. Es gibt nur sehr sehr wenige einheimische Ameisenarten, die man ohne allzu großen technischen Aufwand eindeutig identifizieren kann:


    Camponotus ligniperdus -> rotbraune Färbung des Thorax und Petiolus geht auf die ersten Gastersegmente über (allerdings nur bei Königinnen oder Major-Arbeiterinnen eindeutig erkennbar)
    Raptiformica sanguinea -> gekerbte Oberlippe, erkennbar mit einer guten Lupe, und nur schwach dunkel gefärbte Gesichtsmaske ohne scharfe Ränder
    Formica pratensis sehr deutlicher, scharf umgrenzter schwarzer Fleck auf Pro- und Mesonotum bei gleichzeitig vorhandener schwarzer Gesichtszeichnung (Formica uralensis hat ebenfalls einen solch deutlichen schwarzen Fleck, aber ihr Kopf ist vollständig schwarz).


    Manica rubida -> aufgrund der Größe recht eindeutig erkennbar (man weiß sofort, dass es welche sind, sobald man sie sieht), Verwechslung mit anderen Myrmica-Arten ist eigentlich nur dann möglich, wenn man zufällig eine kleine Arbeiterin erwischt (die Königinnen sind unverwechselbar)


    Die Liste ließe sich noch um Polyergus rufescens und Dendrolasius fuliginosus erweitern, doch darüber hinaus wird eine eindeutige Identifikation ohne Mikroskop und/oder langjährige Erfahrung schwierig bis unmöglich.


    Hier mal eine (nicht vollständige) Liste möglicher Art-Alternativen:


    Lasius niger -> L. platythorax, L. alienus, L. neglectus
    Lasius flavus -> L. umbratus, L. myops
    Lasius brunneus -> L. emarginatus
    Formica rufa -> F. polyctena, F. aquilonia, F. lugubris
    Serviformica fusca -> S. cinerea
    Myrmica rubra -> M. ruginodis, M. rugulosa, M. scabrinodis
    Tetramorium caespitum -> T. impurum
    Temnothorax nylanderi -> Temnothorax unifasciatus

    ...


    Ciao, Wiseman!

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