Freilandkolonie

  • Hallo,
    hat jemand hierin Erfahrungen, oder existieren schon Beiträge?
    Auch darüber hinaus bin ich für Tipps und Ideen dankbar. Meine Recherchen liefern bisher nur Hinweise, wie man die Tierchen los wird.
    Also:
    Ich habe einen großen naturnahen Gatten und denke darüber nach, ein (oder mehrere) Ameisenvölker anzusiedeln.
    Was wäre denn zu beachten, wie sollte ich vorgehen (Art, Standort, Starthilfe, Zeitpunkt,...)?
    Vielen Dank

  • Bei mir laufen im Sommer die L niger am Balkon rum, ansonsten hab ich noch ein Formica pratesnis Nest in der Nähe, wo ich des öfteren vorbei schau. Im Moment frag ich mich allerdings, ob es die Grabenräumungsarbeiten überlebt hat.


    Abgesehen davon würde ich mich schon sehr wundern, wenn in dem Garten nicht schon etliche Völker leben würden.

    lg Franz :ant:
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    "Besser schweigen und als Narr scheinen, als sprechen und jeden Zweifel beseitigen." - Abraham Lincoln :frage:

    • Offizieller Beitrag

    Hallo SaL,


    die Frage ist interessant, aus verschiedenen Gesichtspunkten.


    Eine Ansiedlung von Ameisen ist aus verschiedenen Gründen nicht unkritisch.


    Die pragmatische Seite: Im Normalfall sind in einer stabilen Umgebung die "Nischen" schon durch andere Kolonien besetzt. Sprich: Die Dichte an Kolonien ist so hoch, dass eine Ansiedlung nicht ohne weiteres möglich ist, ohne die Kolonie zu gefärhden, zumal, wenn sie in Konkurrenz mit den ansässigen Kolonien steht (eine sehr versteckt lebende und defensive Temnothorax-Kolonie auszusiedeln wird insofern besser klappen, als eine aggressive Art). Das Problem ist schlicht, dass die bereits bestehenden Kolonien (zumal sie meist auch schon sehr volkstark sind) die angesiedelte Kolonie sehr schnell auslöschen werden, sobald diese entdeckt wurde. Einen guten Standort zu finden ist also schonmal das erste Thema, vor allem wenn aggressive Arten wie z.B. die überall anzufindende Lasius niger in der Nähe sind. Das ist in natura btw auchso: Einer der größten Todesfaktoren für schwärmende Jungköniginnen, die eine Nistgelegenheit suchen, dürften die bereits bestehenden Kolonien sein, die sie einfach als Nahrung ansehen und töten, wenn sie sie antreffen.


    Die ökologische Seite: Das zweite ist, dass das Aussetzen von Ameisen an sich nur unter bestimmten Bedingungen überhaupt in irgendeiner Form erwägenswert ist. Das Ausbringen fremder Arten, die hier nicht vorkommen, ist nicht nur illegal, sondern auch fahrlässig. Leider gibt es immer wieder Halter, die unsere Umwelt mit fremden Arten "berreichern" wollen, weil die Vorstellung ja so schön ist, Blattschneiderameisen oder Körnersammler im Garten zu haben. So haben exotische Arten (darunter fallen ALLE Arten, die nicht in deinem Land natürlicherweise vorkommen), hier überhaupt nichts verloren. Betrachtet man das hohe invasive Potential von Ameisen, sowie bereits bestehende Fälle (siehe die über den globalen Handel in die USA verschleppte Feuerameise Solenopsis invicta, die dort mangels natürlicher Feinde jährlich Milliarden(!)schäden anrichtet), dürfte jedem Halter, der halbwegs bei Verstand ist klar werden, dass es eine wirklich dumme Idee ist. Auch werden exotische Arten im Normalfall den Winter ohnehin nicht überleben. Unter dem Gesichtspunkt ist es noch kurioser, dass manche Halter bei Deinteresse versuchen Ameisenkolonien auszusetzen, anstatt sie zu verkaufen (der Markt ist ja schließlich gegeben): Dann kann man sie auch gleich überbrühen und für einen schnellen und hygienischen Tod sorgen.


    Der zweite ökologische Gesichtspunkt ist, dass fremde Ameisenarten natürlich auch fremde Parasiten und Krankheitserreger in sich tragen (können). Diese will man sicher nicht verbreiten, zumal die lokal bestehenden Arten ggf. dem nichts entgegenzusetzen haben. Es ist auch in der Haltung eine Vermutung, dass bei "unerklärlichen" Massensterben von Kolonien ggf. Krankheitserreger eine Rolle spielen könnten. So ist es leicht vorstellbar, dass eine exotische Art in Haltung dem lokal vorkommenden Bakterien- und Virenpool ggf. nicht immer gewachsen ist und bei einer Erkrankung das Immunsystem schlicht nicht zu 100% greift. Verifizieren kann man das natürlich ohne tiefgreifende Studien nicht (die mWn noch nie gemacht wurden), aber die Theorie ist nicht unbegründet.


    Die sehr spezielle Seite: Ein - zugegebenermaßen nicht unumstrittenes und etwas abstrakteres - Thema, das ich dennoch nicht unerwähnt lassen will, ist zudem die sogenannte intraspezifische Homogenisierung. Hinter diesem sperrigen Begriff verbirgt sich nichts anderes, als dass Ameisen, auch bei selber Art, in ihrem Genpool mehr oder weniger gut angepasst sind an ihre lokale Umgebung, selbst innerhalb einer Art. So gibt es die Möglichkeit, bei einer Einbringung von z.B. Lasius niger aus Norddeutschland nach Süddeutschland eine Schwächung des Genpools der bereits bestehenden Kolonien (natürlich über lange Zeit) negativ zu beeinflussen - er wird homogenisiert.
    Stell dir das einfach so vor (nur als plakatives Beispiel), als würdest du einen an arktisches Klima gewöhnten Polarfuchs mit einem wüstenbewohnenden Fenneck verkreuzen (nehmen wir einfach mal an, das klappt, da beide zur selben Gattung "Vulpes" gehören). Rauskommen wird eine nun überhaupt nicht mehr gut angepasste Mischform. Bei Ameisen sagt man, dass man Kolonien, die nicht im Umkreis von max. 100km gefangen wurden, nicht aussetzen soll.


    Insofern mein Rat, der auf 12 Jahren Ameisenhaltung fußt: Lass es einfach und begnüge dich mit den Ameisen, die dich ohnehin umgeben. Du wirst erstaunt sein, wie viele es sind und welche Arten, wenn du deine weitere Umgebung sehr genau unter die Lupe nimmst.


    Es ist jedenfalls aus dem oben genannten Punkten einfach entweder nicht sinnvoll - wegen der Gefahren für die Kolonie, oder im Fall des Aussetzend fremder Arten schlicht fahrlässig.

  • Zunächst einmal Vielen Dank für die sehr umfangreichen Ausführungen, auch für den ehrlichen Ratschlag „lass es“ ;-).
    So ganz abgeschreckt bin ich aber noch nicht und will mein Ansinnen nochmal spezifizieren:
    Ganz wichtig: Ein Einschleppen exotischer Arten stand nie zur Debatte.
    Ich will auch keinen zu großen Pflegeaufwand betreiben;
    maximal auf die Rahmenbedingungen ein wenig gestalterisch einwirken, z.B. einen Standort besonders schmackhaft machen (Angebot von Baumaterial, Schutz vor marodierenden Hühnern, o.ä.).
    Und: Vielleicht doch mit einer Art, die noch nicht vorhanden ist, deren Nesthügel schon ein wenig mehr her macht als die 200 cm2 unter einer Gehwegplatte. Beeindruckend finde ich beispielsweise die Häufen von Waldameisen – habe ich auch schon in Privatgärten entdeckt, weiß aber eben nicht, ob man diese bewusst ansiedeln kann/darf (!) und ob die aufgrund Volksstärke, Aktionsradius, Aggressivität ein Biotop stärker umkrempeln als mir lieb ist.
    Daher vielleicht nochmal die etwas spezifischere Problemformulierung:
    Hat Jemand Erfahrungen mit Waldameisen im Garten ?
    (Über die Artenschutzproblematik bin ich übrigens im Bilde…


    VG

  • je nachdem besteht natürlich schon die Möglichkeit, auch einheimische Arten, bei dmentsprechend vorhandenen Habitaten anzusiedeln. zB Dolichoderus oder gar Colobopsis truncatus, wenn dementsprechend Bewuchs zur Verfügung steht, aber auch einzelne Temnothorax-Völkchen, sofern man auch für eine ungestörte Streuschicht sorgen kann.


    Sollten aber aus genannten Gründen nur Arten sein, die in der Umgebung ohnehin vorkommen.

    lg Franz :ant:
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    • Offizieller Beitrag

    Hi nochmal,


    das "lass es" war mehr pragmatisch, als böse gemeint, hoffe das kam nicht zu streng rüber.


    Mir ging es bei der Aussage auch eher darum, dass ich bis dato persönlich keinen Halter kennengelernt habe (man berichtige mich), der eine dauerhaft stabile Kolonie im Außengelände hatte. Im Gewächshaus ja, das ist aber auch abgeschottet und gut kontrollierbar - aber nicht direkt im Garten. Da gibt es (ich muss agen, leider), auch Halter die wegen der höheren Temperaturen im Gewächshaus auch exotische Arten dort halten, trotz hoher Ausbruchsgefahr.


    Es gab auch Halter, die so ein Mischding versucht haben. Immerhin entfallen viele tolle Beobachtungsmöglichkeiten bei einem natürlichen Erdnest. So gab es also Ansätze, Becken mit Nest im Innenraum aber mit Schlauchverbindung nach draußen zu installieren um die Vorteile beider "Welten" zu kombinieren (wenn auch nicht zum Rasenmähen via Blattschneider :winking_face: ). Da hat man aber nach dem Start auch nicht mehr viel gehört. Das Problem ist ja immer: Wenn deine Ameisen raus kommen, können auch fremde Ameisen rein.


    Ich denke der Aufwand ist halt recht groß und die Frage ist, wie du die Kolonie so gut abschotten und schützen kannst, bis sie eine stabile und halbwegs stattliche Volksstärke aufweisen kann - und damit sich auch gegen ihre Umwelt behaupten kann. Ich kann mir das am ehesten eben noch mit sehr defensiven oder versteckt lebenden Arten vorstellen, oder aber Arten, die eine sehr besondere Nische besetzten (baumbewohnend - sollte man halt nicht den Baum nehmen, der jedes Jahr von Blattläusen besetzt ist).


    Was die Waldameisen angeht: Tatsächlich sind sie so streng geschützt, dass eine Umsiedlung bereits bestehender Völker nur durch Fachleute erfolgen darf und das auch nur unter sehr strengen Auflagen (z.B. Rettung einer Kolonie vor Baumaßnahmen, etc.). Solltest du eine Jungkönigin bei den Schwarmflügen finden, ist eine Haltung prinzipiell auch nicht erlaubt - ich kann mir aber kaum vorstellen, dass irgendwas dagegen hat, wenn du sie in einer Außenhaltung so gut schützen willst, dass sie erfolgreich gründen kann. Ich fände das persönlich eher löblich, da der größte Teil der Jungköniginnen ohnehin verstirbt und nie eine erfolgreiche Gründung schafft. Es ist nur so, dass volksstarke Waldameisenkolonien extrem aggressiv werden. Nur mal angenommen, du schaffst es, eine Königin gründen zu lassen und die Kolonie besteht dann grut wachsend ein paar Jahre, bildet mehrere hunderttausend Individuen aus - du wirst keinen Schritt mehr gehen können, ohne auf Ameisen zu stoßen, die dich sehr sehr aggressiv angehen. Man kann das bei großen Kolonien im Wald sehr gut sehen, das Verteidigungsverhalten ist immens, auch Menschen gegenüber. Sie nehmen Menschen sehr gut wahr, greifen die Füße/Beine an, spritzen artillerieartig mit Ameisensäure durch die Luft... je näher am Nest, desto schlimmer (was eine Beobachtung von Waldameisen mMn etwas anstrengend macht, auch wenn so ein 1,80m hoher Hügel sehr beeindruckend und anziehend ist ^^)


    Wenn du nun dein eigenes Waldgrundstück hast ist das vielleicht weniger störend. Der normale Garten, wo bald das Nachbargrundstück nahe anschließt könnte solch eine aggressive Kolonie zu großen Verwerfungen führen. Aber wie gesagt, leider ist es ohnehin unwahrscheinlich, dass die Kolonie sich gut etabliert, geschweigedenn eine solche Größe erreicht.


    Meine eigene Erfahrung dazu ist folgende: Ich habe vor Jahren versucht, eine kleine 25 Frau starken Myrmica rubra Kolonie im Garten anzusiedeln, da diese dort nicht vorkam (an der einzigen Stelle, die mir von anderen Kolonien ignoriert erschien war der Neststandort). Die Kolonie hat exakt 3 Tage überlebt, bevor eine wo-auch-immer-her-kommende Lasius niger Kolonie sie ausgelöscht hat (es lagen noch zwei derer Leichen im Myrmica-Nest, sie sind also nicht einfach ausgezogen). Das Nest zu schützen dürfte also der Hauptfaktor sein und mir fällt da im Moment nichts ein, wie man das gut lösen könnte, ohne wiederum die Kolonie einzuschränken/einzusperren.

  • wir haben die immer im Freibad beobachtet, wenn sie sich um ein kleines Stück Schnitzel mit den Wespen gezofft haben.

    lg Franz :ant:
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    "Besser schweigen und als Narr scheinen, als sprechen und jeden Zweifel beseitigen." - Abraham Lincoln :frage:

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