Tapinoma erraticum Erfahrungen?

  • Hallo,
    Ich möchte mir möglicherweise eine Tapinoma erraticum kaufen und habe bereits mehrfach gelesen, dass die Art durch ihre übliche Bodenbegattung Inzucht betreibt ich wollte fragen ob das jemand bestätigen kann und in jemand auch ein Paar Haltungserfahrungen alltemein mit mir teilen könnte, hauptsächlich wie interessant der oder diejenige diese Art im direkten Vergleich zu zB Pheidole spp. oder Myrmica/Manica/Formica findet.


    Diese Gattung ist eine meiner Lieblingsgattungen jedoch kenne ich die Art persönlich nicht und ich stehe momentan zwischen der Entscheidung Liometopum microcephalum und eben die besagten Tapinoma, wollte nämlich mal eine Dolichoderinae haben :grinning_face_with_smiling_eyes:



    Lg André

    • Offizieller Beitrag

    Ich möchte mir möglicherweise eine Tapinoma erraticum kaufen und habe bereits mehrfach gelesen, dass die Art durch ihre übliche Bodenbegattung Inzucht betreibt ich wollte fragen ob das jemand bestätigen

    Laut Artbeschreibungen schwärmt Tapinoma erraticum erst aus, die Verpaarung findet dann, wie du sagst, auf dem Boden statt. Ich fürchte, das Hauptproblem bei Zuchtversuchen ist es, dass irgendein Parameter einfach nicht erfüllt werden kann.


    Einfaches Beispiel: Sammelt man Jungköniginnen direkt nach dem Schwarmflug ab, noch bevor sie die Flügel abstreifen konnten, kommt es erstaunlich häufig vor, dass dies nicht mehr oder nur teilweise geschieht, obwohl sie begattet sind und ergo auch erfolgreich gründen. Die Tiere sitzen dann dauerhaft mit Flügeln da, die mit der Zeit "verwelken", schwarz werden und immer mehr verkrüppeln. Hier wurde offensichtlich ein "Trigger" nicht ausgelöst. Der normale Ablauf "Schwarmflug -> landen -> temporär Unterschlupf suchen und Flügel abstreifen -> Nistgelegenheit suchen" wurde hier gestört und die Jungköniginnen folgen nicht mehr ihrem natürlichen Ablauf. Der Punkt "Flügel abstreifen" wurde gestört und wird dann auch des öfteren nicht mehr nachgeholt. Mein Eindruck war in solchen Fällen auch, dass die Eiablage deutlich später stattfindet, als bei Tieren, die ihren Abläufen folgen konnten.


    Auf was ich hinaus will ist, dass es glaube ich aus gutem Grund so wenig Berichte über erfolgreiche Zuchtversuche gibt - es ist einfach verdammt schwierig bis unmöglich, die ganzen Bedingungen zu schaffen, damit eine Verpaarung so stattfindet, wie sie soll. Ich halte Ameisen nun seit bald 13 Jahren und habe in der Zeit so einige Halter kennengelernt, auch persönlich. Kein einziger davon hatte abseits von als hochinvasiv geltenden Arten, die auch im Nest schon massiv Inzucht betreiben, irgendwelche vorzeigbaren Erfolge bzgl. Zucht. Und die "Nest-Inzucht-Erfolge" haben sie natürlich nicht an die große Glocke gehängt - invasive Arten zu halten ist erst in den letzten Jahren irgendwie mehr oder weniger hoffähig geworden. Es war ihnen dann meistens aber ziemlich unheimlich, wie ihre Völker explodieren, gänzlich ungewollt. Wie gesagt, hier der Fall Bodenverpaarung innerhalb einer Kolonie im Nest. Entsprechende Arten sind ja hinlänglich bekannt.


    Bei anderen, weniger kritischen Arten, haben Halter berichtet, dass die Tiere meist - auch bei den "Bodenverpaarern", einfach ziellos im Becken umherirren und sich mehr oder weniger ignorieren. Eine erfolgreiche Verpaarung ist also auch bei solchen Arten alles andere als gewährleistet.


    und in jemand auch ein Paar Haltungserfahrungen alltemein mit mir teilen könnte, hauptsächlich wie interessant der oder diejenige diese Art im direkten Vergleich zu zB Pheidole spp. oder Myrmica/Manica/Formica findet.

    Auf dem Papier klingen sie für mich schon sehr spannend. Sehr aggressiv und dominant, starkes Rekrutierungsverhalten - das sind doch schonmal Parameter, die eine Haltung interessant gestalten. Ich fand es bei Myrmica schon immer sehr beeindruckend, wie extrem die Rekrutierungen ausfallen können, wenn neues Futter entdeckt wird. Da stürmt im Endeffekt das halbe Nest, teils inklusive Gynen (bei stark polygynen Kolonien), zur Futterquelle. Man sieht richtig, wie die Tiere die Pheromone anderer in der Luft wittern und reagieren. Ähnliches ist wohl auch hier zu erwarten, verbunden mit der beweglichen Gaster, ähnlich wie bei Crematogaster. Die Wirkung des für andere Ameisen hochtoxischen Gifts wirst du in der Haltung vermutlich her nicht zu Gesicht bekommen, außer du provozierst es. Alles in allem denke ich schon, dass die Art spannend ist. Dem entgegen steht, dass Tapinoma erraticum als in Teilen Europas potentiell gefährdet gilt.


    Habe von denen auch auf Youtube ein Video gesehn, aber das kennst du schon, habe dich in den Kommentarspalten entdeckt :winking_face:
    In jedem Fall sehr wuselig.




    Diese Gattung ist eine meiner Lieblingsgattungen jedoch kenne ich die Art persönlich nicht und ich stehe momentan zwischen der Entscheidung Liometopum microcephalum und eben die besagten Tapinoma, wollte nämlich mal eine Dolichoderinae haben


    Nun, über Liometopum microcephalum findet sich ja recht wenig Material, die Art ist hierzulande so gut wie unbekannt. In einem deutschen Shop habe ich etwas darüber gelesen und hier wird angegeben, dass die noch vorhandenen Kolonien aus Zucht 2016/2017/2018 stammen - wo wir wieder beim Thema wären. Ob das korrekt ist, oder nur geschrieben wird, weil die Art als selten gilt und damit Wildentnahmen zweifelhafter Natur sind, kann man leider immer schwer verifizieren. Sofern es stimmt, wäre das vermutlich eine Art nach deinem geschmack :winking_face:


    Die originale Herkunft ist allerdings Ungarn, dort sicher eine Wildentnahme. Der ungarische Shop bietet auch Gynen an, schreibt aber selbst, dass wenig über die Art bekannt sei. Sie vermehren sich aber wohl recht explosiv und das allgemein beschriebene Verhalten bzw. die Lebensweise in Bäumen und mit Kartonnestern klingen spannend.


    Folgende Abhandlung des II. Zoologischen Instituts der Uni Wien habe ich noch gefunden (von 1967), die etwas Einblick verschafft in die natürlichen Verhaltensweisen
    https://www.zobodat.at/pdf/Wis…genland_038_0136-0144.pdf

    Träume den unmöglichen Traum, besiege den unbesiegbaren Feind, strebe mit deiner letzten Kraft nach dem unerreichbaren Stern.

    3 Mal editiert, zuletzt von ice_trey ()

  • Also vorweg erstmal danke für die ausführliche Antwort :grinning_face_with_smiling_eyes:


    Bezüglich der Inzucht, ich bin mittlerweile etwa ein Jahr im Geschäft (falls du verstehst was ich meine) und ich habe es bei recht vielen nicht invasiven Arten mitgekriegt, dass die Verpaarung in Gefangenschaft gelungen ist, um drei Beispiele einzubringen, Carebara diversa gelingt die Zucht recht häufig, Acromyrmex echinatior nahezu immer und ein Freund von mir hat eine Polyrhachis dives Kolonie vor etwa 10 Monaten mit 1-2 Gynen bekommen, mittlerweile hat er hunderte befruchtete queens, ein anderer Freund hat eine unbestimmte Camponotus bei der alle worker nach dem Tod der queen angefangen haben Eier zu legen und durch thelytoke Parthenogenese ist es geschehen, dass seit einem Jahr aus den Eiern trotzdem worker schlüpfen statt Männchen....


    Alles in allem finde ich ist die Zucht doch bei recht vielen Arten ein erfolg, wobei bei den einheimischen nicht recht viel mehr als Myrmica spp. übrig bleibt.


    Ich habe bereits über Discord Kontakt zu dem Co-Inhaber von antdealer aufgenommen und er hatte mit bestätigt, dass bei seinen Arten Inzucht noch nie beobachtet wurde und die Liometopum zumindest Wildfänge der Gynen waren...
    Alles in allem sieht es wohl bei beiden Arten für mich nur wenig vielversprechend aus, ich sehe auch leider irgendwie keinen Anreiz eine Art zu halten die ich nicht im eigentlichen Wortsinn nicht züchten kann. Ironischerweise hat sich mir die Gelegenheit einer weiteren Art, deren Verhaltensweisen sehr interessant sind geboten nämlich Anoplolepis gracilipes jedoch hätte ich gerne Erfahrungen mit einer Dolichoderine gesammelt, da aber die anscheinend bis auf Tapinoma sessile und Tapinoma melanocephalum (wieder invasiv) keine Inzucht betreiben werde ich wohl warten bis einer meiner Händler die Art bekommt

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