Kolonie aus mehreren Arten?

    • Offizieller Beitrag

    Hallo zusammen,
    Ich hab mal ne rein hypothetische Frage und keinerlei Interesse diese Idee in die Tat umzusetzen, aber interessieren würde es Mich schon, und zwar:
    Wäre es möglich, eine Kolonie per Eientnahme aus anderen Kolonien mit Individuen anderer Arten zu bereichern?
    So dass man zum Beispiel Lasius Niger und Flavus mischt, um eine mehrfarbige Kolonie zu erhalten?
    Oder Messoren einige dutzend jagende Ameisen untermischt?


    Ich kam darauf, als Ich Mich etwas übers pushen informiert habe. Und auch über die Lebensweise von z.B. Formica sanguinea.


    Natürlich müsste man Arten auswählen, die ähnliche Haltungsparameter aufweisen, was Klima und Nest anbelangt.


    Wie gesagt, Ich habe nicht vor, so etwas selber zu versuchen. Schon gar nicht, da Ich ja quasi noch am Anfang meiner Halterkarriere stehe.
    Aber interessant wäre es wohl allemal. Und ein mehrfarbiges und u.U. extrem polymorphes Gewusel würde mMn auch optisch einiges her machen.


    Ich bin gespannt auf eure Meinungen dazu.


    Beste Grüße

    • Offizieller Beitrag

    Hallo AmazingRalph,


    interessantes Thema und keine Sorge, du bist sicher nicht der Erste, der sich darüber Gedanken macht :winking_face:
    Kein Grund also für falsche Scheu.


    Sagen wir mal, es ist bedingt möglich, nah verwandte Arten temporär zu mischen, aber nicht, eine echte Kolonie daraus zu machen, dazu gleich mehr. Es ist daher nicht in dem Sinne "bereichernd" für die Ameisen - denn den Ameisen bringt das nicht wirklich was, wenn es nicht ohnehin in irgendeiner Form zu ihrer natürlichen Lebensweise gehört. Der Vergleich mit Formica sanguinea und Konsorten hinkt also sehr, da diese in natura durch Raubzüge ihre Kolonien mit zu fremden Kolonien gehörigen Puppen (und damit später Arbeiterinnen) aufstocken und sich über Jahrmillionen daran angepasst, sowie spezialisiert haben. Es gibt ja sogar Ameisenarten, die ohne ihre Sklaven gar nicht mehr dauerhaft lebensfähig sind, wie beispielsweise die heimischen Amazonenameisen, Polyergus rufescens, da sie sich evolutionär so stark daran angepasst haben. Das trifft auf die meisten anderen Ameisen allerdings nicht zu - die leben für sich und haben so ein Verhalten niemals angenommen. Fremde Puppen, die bei Raubzügen erbeutet werden, landen dann auch eher als Snack im Magen.


    Gehen wir zurück zu deinem Beispiel, kann es sein, dass eine Versorgung untereinander, z.B. mit Futter, aufgrund unterschiedlicher körperlicher Merkmale nicht perfekt funktioniert oder aber die Reize nicht passen, egal ob mechanisch (z.B. Betrillern mit den Fühlern), oder per Pheromone. Es gibt also bei verschiedenen Arten auch verschiedene Versionen von "Gib mir Futter" oder "Ich habe etwas entdeckt, folge mir", etc.pp. Das ganze Thema ist sehr sehr komplex, da ja auch artintern jede Kolonie schon ihren eigenen Geruch hat, jede Königin eine große Menge von Pheromonen verströmt, usw.usf.


    Es ist durch Pushing natürlich möglich, z.B. Lasius flavus Puppen bei Lasius niger einzuschmuggeln. Diese werden mEn auch aufgezogen und schlüpfen später. Es ist de facto aber nicht möglich, zwei Kolonien zu wirklich mischen, also Königinnen beider Arten in einem Nest zu halten. Was artintern (also z.B. bei zwei Lasius niger Kolonien) nicht gelingen kann - da jede Kolonie ihren eigenen, spezifischen Geruch hat und alles andere als feindlich einstuft - kann artübergreifend erst recht nichts werden.


    Das Ganze funktioniert also nur, wenn du beständig für Nachschub sorgst. Es kann allerdings auch vorkommen, dass die zugeschobenen Puppen vergammeln (da sie keinen Reiz zur Pflege auslösen) oder als leckerer Snack angesehen werden.


    Auch kann es sein, dass die adulten Tiere gar nicht wirklich miteinander agieren, sondern eher nebeneinander herleben (auch wenn sie sich nicht angreifen). Ein praktisches Beispiel hier wäre z.B. das Einbringen einer Lasius fuliginosus Gyne in eine Lasius niger Kolonie. Auch wenn nach anfänglichen Scharmützeln die Gyne in Ruhe gelassen wird, heißt das noch lange nicht, dass sie auch versorgt wird.


    Summa summarum ist das Ganze also eher ein Gag als sinnvoll.


    In der Haltung bräuchte eine Formica sanguinea Kolonie btw auch keine fremden Puppen, sie sind auch allein überlebensfähig. In freier Natur verschafft der Kolonie das Verhalten lediglich einen Vorteil, da sie so schneller wachsen, mehr Arbeitskraft aufbieten können, mit mehr Mitgliedern wehrhafter sind - in der Haltung spielt das in dem Sinne keine Rolle, da sie ja keine Gefahren um sich haben. Dann wachsen sie eben langsamer, so what... :smiling_face:

  • Moin,
    In Seiferts Buch habe ich über
    Guest ants (xenobiosis) gelesen.
    Kleine Arten wie Leptothorax leben mit großen dominanten Arten (camponotus , formica ) eng zusammen bzw. in einem Nest. Dadurch erhalten sie schutz da die Wirtskolonie diese kleinen ameisen kaum beachtet, allerdings größere arten bekämpfen die die Leptothorax gefährlich werden könnten. Die nester bleiben dabei selbständig, anders als bei anderen sozial parasitären Arten. Die Kolonien können auch teilweise miteinander kommunizieren. Nur die Formicoxenus nitidulus in Europa lebt primär mit einigen holzameisen zusammen und kann diese um Nahrung anbetteln und lebt direkt in dem Thermal optimierten, gut verteidigten Nest.
    Es ist zwar nicht eine Kolonie mit mehreren Arten wie bei sklavenameisen aber es leben ein paar Kolonien in einem Nest.

    • Offizieller Beitrag

    Stimmt, das hatte ich nicht erwähnt. Inwieweit sich das in der Haltung realisieren lässt, kann ich aber nicht einschätzen, da die Paramater (Platz etc.) sich doch sehr von der Natur unterscheiden.


    Man kann Arten, die sehr verschiedene Lebensweise haben in jedem Fall oft in Gemeinschaftsbecken halten, darunter die von dir angesprochenen Leptothorax, aber auch Temnothorax zusammen mit deutlich größeren Arten. Die ignorieren sich aber weitestgehend mEn. Die Nester zusammenzulegen habe ich persönlich noch von keinem Halter gehört, ich kenne das nur mit Trennung der Nestbereiche.


    Btw, wie gefällt dir der Seifert so, Jorek?

  • na :grinning_face_with_smiling_eyes:
    Das Buch finde ich persönlich sehr gut. Ich habe ja die Ausgabe von 2018 auf Englisch und ich muss sagen, dass es wirklich sehr ausführlich ist. Manchmal etwas schwer zu verstehen da viele Fachbegriffe drin sind und ab und zu auch mal ein unbekanntes eng. Wort aber ein Nachschlagewerk wie zB das Internet schafft rasch Abhilfe. Ich habe noch nicht alles gelesen aber bin sehr zufrieden mit der Investition und vor allem mit dem geballten Wissen auf den 400 Seiten. Mein Respekt hat er :grinning_squinting_face:

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