Zufälliger Königinnen fund - was nun?

  • Hallo,


    erst vor kurzem bin ich auf YouTube auf den Kanal Ants Canada gestoßen und der Faszination der Ameisen erlegen. Eigentlich wollte ich mich erstmal ordentlich informieren und ausrüsten ehe ich mir Ameisen anschaffe.
    Der Zufall hat mir nun jedoch drei Königinnen in die Hände gespielt. Ich fand sie, als ich die Kübel-Erde der letzten Gartensaison aussiebte, welche ich mit Pflanzenresten und Kompostwürmern zur Aufarbeitung für die neue Saison im Keller eingelagert hatte. Die Damen waren alleine unterwegs, Brut oder Arbeiterinnen habe ich in der Erde nicht entdecken können.
    Vermutlich handelt es sich um Lasius flavus oder niger, diese Arten sind in meinem Garten reichlich vertreten und das Aussehen der Tiere entspricht den Bildern die ich gefunden habe.


    Jetzt stellen sich mir folgende Fragen:
    Eignen sich diese Königinnen zur Gründung einer Kolonie?
    Ist es normal, daß sie alleine sind oder ist es ein Zeichen dafür, daß sie nicht befruchtet sind?
    Wie bringe ich die Tiere jetzt am besten unter, wenn ich es mit ihnen probieren will? Reagenzgläser habe ich nicht zur Hand. Jetzt sitzen sie mit etwas feuchter Erde (in der ich sie fand) in kleinen Plastikdöschen wie sie für Transport und Aufzucht von Spiderlingen verwendet werden. Brauche ich unbedingt Reagenzgläser oder kann ich mir auch anders behelfen? Terrarien-Kram habe ich einiges da, weil ich schon seit ein paar Jahren Vogelspinnen halte.


    Ich bin für alle Tipps dankbar!

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Reiner,


    das ist ja auch mal ne Art, Gynen zu finden, hab Ich so auch noch nicht gehört :grinning_squinting_face:


    Mich verwundert es etwas, dass sie überhaupt keine Arbeiterinnen haben. Theoretisch fangen die meisten Königinnen direkt mit der Eiablage und Aufzucht an, sobald sie einen Unterschlupf gefunden haben. Wenn sie aber erst recht spät geschwärmt sind, kann Ich Mir durchaus vorstellen, dass sie damit bis zur nächsten Saison, sprich diesen Frühling, gewartet haben.
    Im Zweifelsfall kannst Du es ja einfach mal ausprobieren.
    Reagenzgläser sind nicht zwingend notwendig, eignen sich allerdings recht gut, weil sie dort eine ständige Wasserversorgung haben, der Fortschritt gut zu beobachten ist und Belüftung kein Problem ist, wenn sie offen liegen.
    Die Spiderlingtransportboxen, die Ich gefunden habe, sind ja alle verschlossen, sprich nicht belüftet. Wenn Du sie aber offen in ein entsprechendes Becken stellst bzw legst, sollte das auch gehen.
    RGs kriegst Du aber auch in fast jeder Apotheke für nen Appel und n Ei.


    Wenn Du es mit den Ameisen probieren willst, sind diese Arten auch recht gut geeignet, da sie Haltungsfehler recht gut wegstecken (gerade L. niger).


    Ich denke, probiers aus und sieh was passiert. Bis die Kolonie wirklich groß wird, hast Du ja auch noch einige Zeit, um Dich zu informieren und ein Formicarium anzuschaffen.
    Vielleicht postest Du mal ein zwei Bilder von den Tierchen, dann können Wir Dir auch bei der Bestimmung der Art helfen.


    Und selbst wenn es mit diesen dreien nicht funktionieren sollte, falls sie nicht befruchtet sind, bist Du dann schon mal vorbereitet für nächste Schwärmzeit.


    Ansonsten sei herzlich willkommen in der Welt der Ameisen und wenn Du Fragen hast, frag einfach


    Grüße

    • Offizieller Beitrag

    Hi und herzlich Willkommen!


    Ja, so kommt man ungewollt oder in deinem Fall etwas verfrüht zu einem neuen, schönen Hobby. Es kam und kommt immer wieder vor, dass man unerwartet auf Ameisenköniginnen oder auch ganze Kolonien stößt. Es gab hier sogar Fälle, bei denen exotische Ameisen bei in Möbelhäusern gekauften Pflanzen gefunden wurden... und das meisten von Leuten, die gar nichts mit Ameisen zu tun haben wollten und vollkommen überfordert waren :grinning_squinting_face:


    Da du ja schon Erfahrung in der Terraristik hast, ist das ja alles nicht so riesen Neuland für dich, super Voraussetzungen!



    Ralph hat schon eine sehr gute Antwort gegeben, daher nur ergänzend: Es wäre gut, die Ameisen zu fotografieren, um die Art wenigstens grob einzugrenzen. Lasius niger und Lasius flavus sehen jedenfalls für den geübten Blick ziemlich unterschiedlich aus und halten sich auch ein wenig anders :winking_face:


    Es kommt tatsächlich vor, dass die Gynen bei einem sehr späten Schwarmflug (letztes Jahr war der Sommer sehr heiß, da kann es ggf. sogar vorkommen, dass nochmal geschwärmt wird) ihre Brut (nur Larven) mit überwintern und erst im nächsten Jahr richtig durchstarten. Dass du keinerlei Arbeiterinnen entdeckt hast, spricht für diesen Umstand - weniger dafür, dass keine Begattung stattfand (begrifflich ist es btw so, dass die Gynen von einem oder mehrerer Männchen begattet werden, die Gynen befruchten dann die Eier einzeln mit den zumeist lebenslang in einer speziellen Tasche aufbewahrten Spermien. Die beiden Begriffe "Begattung" und "Befruchtung" werden immer wieder verwechselt, aber das nur am Rande).


    Die Gynen haben vermutlich alle den selben Ort als passende Nistgelegenheit entdeckt und waren in etwa auf dem selben Stand. Dass du keine Brut gefunden hast, verwundert wenig. Diese ist ziemlich winzig und vermutlich hast du sie mit dem Durchsieben überall im Material unauffindbar verstreut.


    Die Königinnen können mit etwas Glück aber neu gründen, da ihre Nahrungsreserven manchmal sogar für einen zweiten Gründungsversuch ausreichen. Dennoch würde ich es anders angehen in dem Fall und die Gynen mit einer Futtergabe unterstützen, da sie im Normalfall jetzt im Frühjahr die Gründung abschließen würden und die körpereigenen Reserven nicht ewig reichen. Im ersten Schwung wäre das je eine winzige Menge (sollte gleich aufgenommen werden können) Honig zur Kohlenhydratversorgung der Gynen selbst. Einige Tage später würde ich anfangen Proteine in Form von Insektennahrung (tot) darzubieten (z.B. kleine Fruchtfliegen, oder zerschnittene Fliegen, die ja jetzt so langsam bei den ersten Sonnenstrahlen aus allen Ecken rauskriechen. Man findet so einiges, wenn man ein bisschen die Augen offen hält).


    Es ist leider nicht sicher, KANN aber klappen, dass die Gynen so eine neue Gründung durchführen. Du solltest sie separat (denn sie gehen sich sonst spätestens nach erfolgter Gründung an die Gurgel), abgedunkelt und möglichst ohne viele Störungen unterbringen. Mit etwas Glück findest du dann schon bald die ersten Eier (normalerweise als kleines Paket heller Pünktchen in der Nähe der Gynen erkennbar).


    Wir helfen natürlich alle gern, wenn du Fragen hast oder auf Probleme stößt - nur raus damit. In jedem Fall viel Erfolg und viel Spaß bei deinem Einstieg!

  • Ein Hinweis noch, Lasius niger gründet häufig in Pleometrose, d.h. mehrere Königinnen gesellen sich zusammen und ziehen gemeinsam die ersten Arbeiterinnen auf, letztlich kann es aber nur eine geben und nachdem die ersten Arbeiterinnen da sind kämpfen die Königinnen bis zum Tod über die Herrschaft der Kolonie.
    Bei Lasius flavus ist das etwas anders, da wird eine zweite (manchmal auch eine dritte) Königin oft über Jahre tolertiert, bis sie eines Tages plötzlich verschwindet.


    Im Falle von Lasius niger sollte das Ameisenterrarium absolut ausbruchssicher sein. Die Art ist ab einer gewissen Größe (mehrere Tausend Arbeiterinnen) sehr ausbruchsfreudig, hochaggressiv und duldet keine anderen Götter bzw. Ameisen neben sich (in freier Wildbahn löschen sie in der Regel alle anderen Ameisenkolonien in ihrer unmitterbaren Umgebung aus oder vertreiben sie, wenn möglich). Ob sie sich an großen Vogelspinnen vergreifen kann ich nicht sagen, aber zumindest die kleineren Jungtiere dürften definitiv auf der Speisekarte landen, wenn sie an die rankommen. Dasselbe gilt für Boxen mit Futtertieren.
    Lasius flavus macht dagegen weit weniger Probleme und ist generell eher sehr zahm.

  • Liebe Ameisenfreunde,


    herzlichen Dank für die freundliche Aufnahme und Eure ausführlichen und hilfreichen Antworten!


    Gerne würde ich ein Bild hochladen, damit Ihr mir sagen könnt was ich da genau habe. Leider steht mir zum Fotografieren zur Zeit nur ein uraltes Fotohandy zur Verfügung und bei der Bildqualität kann man froh sein, wenn man eine Ameise von einer Spinne unterscheiden kann. Aber vielleicht könnt Ihr mir erklären woran ich den Unterschied erkenne bzw. wo ich die entsprechenden Infos finden kann. Ansonsten werden wohl die Arbeiterinnen für Klarheit sorgen, wenn es mit der Gründung klappt. Für die Pflege macht es ja vorerst keinen Unterschied, wenn ich recht informiert bin.


    Für ausreichend Belüftung ist gesorgt. Zwar stimmt es, daß diese Dösen eigentlich dicht schließende Deckel haben, aber mit einer Nagelschere und einem Stücken drosidichter Edelstahl-Gaze läßt sich da einfach Abhilfe schaffen. Bedenken habe ich jedoch wegen der Wasserversorgung und Feuchtigkeitsregulation. Zwei der Gynen haben sich in der 3cm Erdschicht, die ich ihnen zur Verfügung gestellt habe, eingegraben und sich am Boden des Döschens eine Höhle geschaffen. Deshalb widerstrebt es mir sie schon wieder auszugraben. Ich denke ich werde Reagenzgläschen besorgen, als Nest präparieren und dann „Tür an Tür“ mit den jetzigen Döschen in eine Arena legen. So können sie selbst entscheiden ob sie umziehen oder das Glas nur als Tränke nutzen möchten – was meint Ihr?
    Gibt es irgendwo eine Anleitung worauf beim Einrichten des Röhrchens zu achten ist? Verwende ich dazu normale Baumwoll-Watte aus dem Drogeriemarkt? Ab besten wohl Bio-Qualität wegen Glyphosat und so...


    Über die Notwendigkeit einer Fütterung hatte ich mir auch schon Gedanken gemacht, immerhin haben die Gynen schon einen ganzen Winter mit ihren Reserven bestritten. Ich fürchte auch, daß ich die erste Brut bereits im Herbst zerstörte als ich die Erde in einer großen Tonne eingelagert und die alten Erdballen dazu zerkrümelt habe. Wo möglich gab es sogar einen zweiten Versuch, da der Keller mit Temperaturen zwischen 18 und 15°C für eine Ameisen-Überwinterung doch recht warm ist – das war ja auch nicht der Plan, ich wollte, daß die Kompostwürmer arbeiten...


    Jedenfalls habe ich die Anregung aufgegriffen und jedem Mädel einen winzigen Tropfen Honig zur Verfügung gestellt – bislang kein Interesse. Ich habe jetzt mal Klopapierrollen über die Döschen gestülpt damit sie es kuschelig dunkel haben und lasse sie bis morgen Abend erst mal in Ruhe, auch wenn mich die Neugier plagt und ständig gucken möchte. Proteine habe ich vom Springschwanz aufwärts in allen Größen zur Hand, da ich gerade einen ganzen Spinnen-Kindergarten pflege, da werden auch die drei Ladys satt, wenn sie Futter annehmen.


    Schon komisch, als ich über die Haltung von Ameisen nachdachte, träumte ich von einer spektakulären exotischen Art wie Weber- oder Blattschneiderameisen, die Läuse-Hirten aus meinem Garten erschienen mir nicht besonders attraktiv. Aber jetzt, wo das Schicksal sie mir in die Hände gespielt hat, hoffe ich wenigstens eine Gyne erfolgreich zu sehen und plane schon ein möglichst naturnahes und beobachtungsfreundliches Domizil für mein erstes Volk.


    Naja, bis dahin ist noch Zeit.


    Könnt Ihr mir gute Literatur empfehlen? Anfänger tauglich, aber auch für Fortgeschrittene noch interessant, sowohl zu Haltung und Pflege, wie auch zum Selbstbau von Glas-Formicarien. Gibt es sowas wie eine "Ameisen-Bibel"?

    • Offizieller Beitrag

    Die erkennbaren Unterschiede liegen z.B. in der Färbung. Lasius niger ist eben fast durchgehend schwarz, während L. brunneus eher ins rötlich-braune Spektrum geht.
    Aber ja, spätestens wenn die ersten Arbeiterinnen da sind, wirds eindeutiger.
    L. brunneus nistet eben eher in Holz, aber prinzipiell auch in Erde, wenn das eben zur Verfügung steht.


    Das mit der Gaze ist super, würde denke Ich auch so funktionieren. Ihnen eine Alternative dazu zu legen gibt ihnen eben nur mehr Möglichkeiten, die Nisthöhle auszusuchen, die sie mögen. Wahrscheinlich wird das aber die Erde sein, da es natürlicher ist.
    Des RG Setup ist super simpel. Zu 2/3 mit Wasser füllen, Watte rein und fertig. Achte nur darauf, dass die Watte dicht schließt, damit nicht unerwarteter Weise das Wassertank ausläuft.


    Ja genau, biete einfach etwas Futter an. Dass Du die Boxen dunkel hältst ist ebenfalls ne gute Sache. Dann heißt es jetzt erstmal Dich in Geduld zu üben. Einmal alle 3 Tage nachsehen reicht m.E.n. aus, am besten so selten wie möglich. Aber gerade L. niger ist da robust und kann die eine oder andere Störung mehr durchaus verkraften.


    Vielleicht wars ein Wink des Schicksals, erstmal mit denen anzufangen und Dich dann an die exotischeren heran zu wagen.
    Dein großer Vorteil hier: wenn wenigstens eine erfolgreich gründet und Du aber nächstes Jahr merkst, Ameisen sind doch nichts für Dich, kannst Du sie einfach wieder in den Garten entlassen.


    Du findest unglaublich viel Informationen hier im Forum oder auch auf YouTube, gerade zum Thema Selbstbau.


    Viel Erfolg vorerst und toi toi toi

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