Wertes Forum,
vor etwa zwei Wochen erreichte mich meine neue Kolonie Messor orientalis. Da ich nirgends einen anständigen Haltungsbericht finden konnte, der nicht abrupt endete - und aus einer Kombination von Mitteilungsbedürfnis und Langeweile heraus - fühle ich mich nun dazu berufen meine Haltungserfahrungen live und in Farbe mit euch zu teilen. Hoffentlich bereitet es Freude beim lesen und/oder kann dem ein oder anderen auch hilfreich sein. Über die Art ist im Netz, außer den Haltungsinformationen der Shops, nicht viel zu finden. Daher werde ich die dort geschriebenen Infos hier noch einmal kurz zusammenfassen um ein erstes Bild der Art zu vermitteln.
Messor orientalis
Die orientalische Ernteameise kommt von Zentralasien über den Mittleren Osten bis zum Balkan vor. Sie ernährt sich wie wohl alle Messor Arten hauptsächlich von Körnern, scheint aber auch anderen Nahrungsquellen nicht abgeneigt zu sein. Auch in den sonstigen Punkten ähnelt sie den gängigen Messor Arten wie Messor barbarus. Sie ist monogyn, lebt bevorzugt in der Erde und mag wärmere Temperaturen. Die Arbeiterinnen sind polymorph, mit 3-10 mm aber etwas kleiner als Messor barbarus. Laut Shop-Information sind sie "100 % Tagaktiv"... dazu später mehr. Das was mich von Messor orientalis überzeugt hat, war schlussendlich dass sie keine Winterruhe halten sollen. Ob trotzdem eine Diapause oder zumindest spürbare Verringerung der Aktivität in den Wintermonaten auftreten werden, wird sich im Laufe des Berichtes zeigen, ich werde die Bedingungen jedenfalls das ganze Jahr über konstant halten. So, das wären erstmal die groben Infos zur Art.
Ankunft
Die Ameisen wurden innerhalb eines Tages geliefert, alle ca. 40 Arbeiterinnen und die Königin waren wohlauf. An Brut waren nur wenige Larven und Nacktpuppen vorhanden, vielleicht wurde während der Lieferung ja etwas verspeist .
Übergangsweise sind die Guten dann erstmal in eine provisorische Plastikboxarena gekommen, als Ausbruchschutz wurde natives Olivenöl angewendet - hat prima funktioniert! Einfach auf ein Stück Zewa geben und damit einmal die Wände oben "wischen", dann entstehen auch keine dicken Tropfen und man muss sich keine Sorgen machen dass alles runterläuft.
In der Zwischenzeit, bis das neue Heim soweit war, habe ich allerlei Futter ausprobiert.
Angenommen wurde: Kanarienvogel Futtermischung, Chiasamen, Heimchen, Protein Trockenfutter vom Antstore (trocken), Fischfutterkügelchen (Wobei ich mir da nicht sicher bin. Sie haben es reingetragen, am nächsten Tag auf den Müll getragen und dann wieder reingetragen ) sowie Zuckerwasser mit einem Schuss Honig (wenn auch zögerlich, aber am Ende ist alles weg).
Abgelehnt wurde: Algenpulver, Protein Trockenfutter mit etwas Wasser aufgeschlämmt
Neue Arena
Knapp zwei Wochen nach ihrer Ankunft war dann das neue "Setup" soweit fertig: Eine alte Antstore Arena von Anno dazumal mit angeschlossenem Gipsnest, deren Boden ich dünn mit Gips ausgegossen habe. Über den noch nicht ausgehärteten Gips habe ich Sand gestreut, der nicht festgetrocknete Sand wurde nach dem Trocknen wieder rausgekippt. So ist eine ebene, sandige Oberfläche entstanden, auf der die Ameisen guten Halt haben und nicht ständig wegrutschen. Unter dem Gipsnest liegt im vorderen, trockenen Bereich eine 3 W Heizmatte, wodurch im Nest ein Temperaturgefälle von 31 - 26 °C entsteht. Kurzerhand wurde das Reagenzglas gestern früh in die neue Arena befördert, was ohne Probleme möglich war da sich zu diesem Zeitpunkt keine Ameise draußen befand. Und nun zu den angesprochenen 100 % Tagaktivität: Bei meiner Kolonie kann ich das nicht bestätigen, ganz im Gegenteil. Tagsüber sind selten mehr als vier Arbeiterinnen draußen unterwegs, aber wenn ich mal nachts nach hause komme und plötzlich das Licht anschalte, da wuselt es in der ganzen Arena, bestimmt 20 Arbeiterinnen plus, jede Nacht!
Nach der Ankunft im neuen Becken gabs erstmal noch etwas Zuckerwasser, das aber wie immer erstmal eine halbe Stunde verächtlich angeschaut wurde, bevor sie es dann doch tranken.
Am selben Abend war es dann schon so weit. Nach ersten Erkundungen des Nests durch die Arbeiterinnen und dem Transport der Brut dorthin machte sich Iro Gnaden höchstselbst auf den Weg ins neue Nest. Zum Glück hat man zur Zeit ja nichts anderes zu tun, als zuhause zu sitzen, daher war ich hautnah dabei.
Erst schüchtern...
Dann mit vollem Einsatz.
Leider alles andere als majestätisch, das Erklimmen der Glasscheibe überstieg wohl ihre Kompetenzen. Ein daraufhin von mir an die Wand gelehnter Schieferstein wurde gekonnt ignoriert. Schließlich nahm ich mir ein Herz und half ihr mit einem Stück Holz hoch.
Und seitdem sitzen sie nun da, in der größten, kühlsten und feuchtesten Kammer des Nestes (Da wo sich auf dem Bild die Pappe nach oben neigt. Ist ein netter Zufall, der leichte Lichteinfall scheint sie nicht zu stören und man kann gemütlich rein linsen. Ansonsten rasten sie bei jeder kleinsten Störung massiv aus.). Anfangs hatte ich Sorgen dass es im Nest eventuell zu warm ist, aber die Temperatur herrscht dort seit Anfang an und die Ameisen sind trotzdem, oder wahrscheinlich sogar gerade deshalb, sehr schnell ins neue Nest gezogen.
Heute konnte ich dann das erste Eierpaket entdecken... oder ist es doch nur Ameisenbrot???
Das war es fürs erste, soweit ist also alles im Lot. Nesteinblick gibt es natürlich auch bald, erstmal will ich sie aber noch ein bisschen schonen und nicht zu sehr stressen. Ich habe vor sie in den kommenden Tagen langsam ans Licht zu gewöhnen und die Abdeckung dann ganz zu entfernen, wenn sie das tolerieren.
Bis zum nächsten Mal! Es grüßt,
Jebetus
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