Hi alle zusammen,
mich würde mal interessieren, ob die/der ein oder andere von euch in einer Ameisenschutzwarte engagiert ist?
Während der Corona-Pandemie haben sich ja doch erfreulicherweise wieder mehr Menschen dazu entschlossen, ein Ehrenamt auszuüben. Gerade für solche, denen das Wohl von Ameisen am Herzen liegt bzw. die Ameisen faszinierend finden, ist daher die Arbeit in einer Ameisenschutzwarte durchaus naheliegend. Hier kann man auch einiges an Wissen über Ameisen einbringen, auch wenn das Hauptaugenmerk auf besonders geschützten Ameisen liegt, die man natürlich in der Haltung niemals finden sollte.
Die Ablehnung von Ameisenhaltern durch die Ameisenschutzwarten und deren Nachwuchsprobleme
Leider ist es nur so, dass manche (wenige, wie beispielsweise die bayerische) Ameisenschutzwarten auf ihren Homepages die Ameisenhaltung ablehnen - und das obwohl, wie in vielen Vereinen - auch hier die Mitglieder immer weiter überaltern und eigentlich jüngerer Nachwuchs wirklich wichtig wäre. Meiner Meinung nach ist das eher auf Unwissenheit und diverse Ängste begründet, denn die Ameisenhaltung und der Ameisenschutz schließen sich sicherlich nicht aus. Hintergrund der Ablehnung ist v.a., dass das Risiko der Einschleppung invasiver Arten über den Ameisenhandel besteht. Das ist natürlich nicht vollkommen von der Hand zu weisen, doch die Erfahrung zeigt, dass die meisten Arten über den globalen Pflanzenhandel eingetragen werden und nur in seltensten Fällen Ameisen aus der Haltung nach draußen gelangen (über Halter, die solche Arten gezielt aussetzen will ich nicht reden, denn ich denke der allergrößte Teil der Halter lehnt dies strikt ab, verurteil es auch entsprechend und hält seine Ameisen korrekt gesichert). Die Entnahme von Ameisenköniginnen aus der Natur ist ein weiterer Punkt, doch ist davon auszugehen, dass der Anteil der von Haltern entnommenen Tiere in Hinsicht auf die, allein in Deutschland, im Jahr sicher zig Millionen schwärmenden Königinnen nicht ins Gewicht fallen dürfte.
Die Hauptaufgabe der Ameisenschutzwarten ist es, streng geschützte Ameisenarten wie die heimischen Formica s. str. (Waldameisen im engeren Sinne) zu erfassen/kartieren, bei Bedarf umzusiedeln, ggf. zu pflegen, sowie auch Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung zu leisten. Dabei arbeitet man recht eng v.a. mit der unteren Naturschutzbehörde zusammen, die in Deutschland im Normalfall beim Landratsamt beheimatet ist.
Ich für meinen Teil habe die Ablehnung der Haltung seitens meiner zuständigen Ameisenschutzwarte ignoriert und hänge meine Haltung einfach nicht an die große Glocke. Anfang 2021 habe ich daher die Ausbildung zum sog. Ameisenheger (Österreich: Ameisenwächter, Schweiz: teils beides oder auch "Ameisengötti") absolviert und schon zwei Wochen danach im Zuge einer Baumaßnahme am Lech (Fischtreppe) schon unter Leitung eines Kollegen eine Formica pratensis Kolonie in ein nahe gelegenes Schutzgebiet umgesiedelt. Danach folgten bis heute einige weitere Maßnahmen, u.a. eine Formica rufa Kolonie, die im Kompost eines Imkers hauste und zunehmend dessen Bienenstöcke aufsuchte - eine furchtbare Umsiedelung, das Nest bestand eben vorrangig genau aus dem, was man sich vorstellt: schöner, warmer Biomüll
Wann und wie läuft eine Umsiedelung grob ab?
Solche Umsiedelungen erfolgen natürlich nach Absprache und Genehmigung der zuständigen Naturschutzbehörden und nur in Fällen, in denen es sich nicht vermeiden lässt, weil das Nest sonst dauerhaft gestört oder gar zerstört würde. Das betrifft in Realität fast immer Baumaßnahmen, z.B. Flussrückbau, Straßenbau, Erweiterung von Gewerbegebieten und Wohnsiedlungen, ... Seltener auch Fälle, in denen z.B. davon auszugehen ist, dass z.B. verärgerte und v.a. uneinsichtige Bürger der Kolonie ansonsten gezielt schaden würden (z.B. wenn ein Nest sehr nah an einer Wohnsiedlung/Garten ist und die Ameisen ihnen zunehmend lästig werden) oder - wie im Fall des Imkers oben - wenn natürlich einzusehen ist, dass der Neststandort mehr als ungünstig ist (auch wenn der Imker den Tieren eigentlich nicht schaden wollte). In solchen Fällen genehmigen die Behörden die Umsiedelungen - diese dürfen ausschließlich durch fachkundiges Personal erfolgen, wie eben die Ameisenheger/innen.
Umsiedelungen sind dabei reine Handarbeit, man versucht auf den Einsatz von Maschinen zu verzichten, soweit es geht (selten muss man mal einen ganzen Baumstumpf per Bagger aus dem Boden ziehen), um möglichst wenige Tiere dabei zu schädigen. Daher erfolgen die meisten Maßnahmen in diese Richtung auch im Frühjahr, wenn die Kolonien sich zur sog. "Sonnung" in Massen auf den Ameisenhügeln nach draußen begeben - inklusive der Königinnen. Dieses Verhalten ist für Waldameisen sehr typisch, die damit erstmals im Jahr, meist im März/April, ihr Nest aufheizen, indem sie die in der Sonne aufgenommene Körperwärme in weiter unten liegende Bereiche tragen und dort wieder abgeben. Das erleichtert die Umsiedelungen ungemein - erst später im Jahr ziehen sich v.a. die Königinnen immer weiter in untere Nestteile zurück, es wird also immer schwer, noch an diese heranzukommen.
Man nimmt dann - meist in den frühen Morgenstunden, wenn die Tiere noch ziemlich träge sind - möglichst viele Tiere und auch Brut per Hand auf, da diese eben sehr weit oben im Nest anzufinden sind. In geeigneten Behältern bringt man diese inklusive Material des alten Nests dann zum neuen, besser geeigneten Neststandort. Dort wird erstmal ein künstlicher Hügel locker aufgeschichtet. Das wiederholt man in den kommenden Tagen nach Bedarf. Der künstliche Hügel wird bei Annahme des neuen Standorts von den Ameisen dann auch regulär aufgebaut. Natürlich bekommen die Ameisen auch einiges Futter als Starthilfe am neuen Standort, bevor sie auf eigene Faust alles für sich einnehmen können.
Es ist natürlich klar, dass die Ameisen einen in dem Moment dafür hassen, ihr Nest aufzuwühlen und das sie das auch an einem auslassen. Bisse und Ameisensäure for free - aber da muss man als Ameisenheger/in durch, es ist auch nicht so schlimm, wie man denkt. Das erste Mal kostet, wie meistens, etwas Überwindung. Am frühen Morgen sind die Tiere auch zum Glück noch nicht so sehr dazu in der Lage, sich extrem zu wehren und auch wenn viele Tiere an einem herumkrabbeln kommt man dann weitestgehend unbeschadet durch.
Es ist nicht nur sehr erfüllend, wenn man Königinnen bei einer Rettungsumsiedelung entdeckt (was leider nicht immer der Fall ist), sondern auch bei der anschließenden Nachsorge sieht, wenn ein neuer Neststandort gut angenommen wird und die Kolonie somit wohl auch gerettet ist und zukünftig an einem sicheren Platz leben kann.
Warum macht man das eigentlich?
Waldameisen sind in Deutschland besonders geschützt, da sie einen hohen ökologischen Nutzen erfüllen und die Bestände vor ca. 200 Jahren, v.a. durch das gezielte Absammeln von kiloweise Brut als Tierfutter, fast zusammengebrochen waren. Das wird in anderen Ländern, v.a. in Teilen Osteuropas im Übrigen immer noch gemacht, denn v.a. die Puppen (werden als "Ameiseneier" verkauft oder direkt verwertet) sind ein formidables Vogelfutter.
Dabei sind Waldameisen ungemein wichtig für den gesunden Wald bzw. generell für ihre Umgebung. Schützt man diese, hilft man also dabei, den Artenschutz zu erfüllen, sowie die Waldgesundheit zu erhalten. Denn die Ameisen lockern nicht nur den Boden auf und ermöglichen damit Pflanzen ein gutes Wurzelwachstum und hemmen nebenbei Bodenerosion. Sie verbreiten auch Samen und helfen damit vielen Gewächsen bei der Vermehrung. In ameisenreichen Wäldern ist die Honigtauproduktion erhöht, was zu einer besseren Waldhonigausbeute der Bienen führt. Daneben vertilgen Waldameisen Unmengen Insekten, die oft als Schädlinge gelten und dienen ihrerseits vielen anderen Tieren selbst als Nahrung. In ihren Nestern leben zudem zahlreiche Tierarten als sog. Ameisengäste. Ihre Anwesenheit führt also zu höherer Artenvielfalt und einem biologischem Gleichgewicht.
Leider ist es nur so, dass auch vor Ameisen der Insektenschwund nicht Halt macht. Nach eigenen Erhebungen der Ameisenschutzwarte Bayern sind Bestände in einigen ihrer Wirkbereiche binnen der letzten Jahrzehnte um teils 30% zurückgegangen. Grund ist vermutlich v.a. die intensive Waldwirtschaft, Bebauungsmaßnahmen, Zersiedelung und Flächenfraß, die Zerschneidung von Lebensräumen, der Einsatz von Insektiziden in der Landwirtschaft und mit alledem einhergehend auch ein Rückgang der Futterinsekten der sehr proteinhungrigen Formica-Kolonien.
Und nun zu euch
Will sich noch jemand als Ameisenheger/in outen? Oder gibt es jemanden, der sich für dieses schöne Ehrenamt interessiert und sich vorstellen könnte, im Ameisenschutz tätig zu werden? Ich würde mich über einen Austausch freuen