Hi und Hallo,
eine enttäuschend "rege" Diskussion zu diesem interessanten und wichtigen Thema!!
Aber zumindest 2 Antworten werden ja jetzt folgen
Im Gegensatz zu zB Mäusen vermehren sich Ameisen solange, bis sie mit den Tarsen aus dem Formikarium hängen und sich gegenseitig auf den Füßen stehen... eine gesteuerte Anpassung an den zur Verfügung stehenden Platz erfolgt im Formicarium nicht!
Für mich heisst Ameisenhaltung vor allem auch nicht: " große Völker passend ins Jugendzimmer zu hungern".
Die Volksstärke einer Art und einer Kolonie in der Natur setzt sich aus vielen Faktoren zusammen und ist ein Wechselspiel aus Territorium (und somit letztendlich den zur Verfügung stehenden Nahrungsquellen), Neststandort, Feinden, Parasiten, Symbionten, Klima, Qualität und Quantität der Nahrung, Nahrungskonkurrenten und natürlich dem größten Feind der Ameise: die Ameise selbst, dh anderen Völkern an oder in den Territoriumsgrenzen (Räubern, Skavenhaltern, Parasiten und Dieben) sowie Revierkämpfen.
Morphologische und organisatorische Gründe mal gänzlich vernachlässigt.
Selbstverständlich wird eine unter Nahrungsmangel leidende Kolonie klein bleiben... sie lebt ja nicht von Luft und Liebe und kann keinen weiteren Nachwuchs aufziehen oder produzieren. Durch Hunger ausbleibende Brut bedeutet aber auch eine Unterversorgung ua der Gyne mit notwendigen Dotter-Vorstufen/Proteinen und damit verbunden drohender Hungertod... oder wer kann schon exakt die Nahrungsmenge ermitteln, die ein Überleben gerade noch ohne Wachstum ermöglicht?
Weitere direkte Folge des Nahrungsentzuges zB:
- kleinere Hunger-Formen der Imagines, da die Kolonie auf "Notprogramm" schaltet und die Larven nur noch spärlich mit Nahrung versorgen wird/kann.
- bestimmte oder einige Kasten werden bei polymorphen Arten verringert oder ausbleiben, da zB eine Investition der knappen Ressourcen in Soldaten oder Majors nicht lohnt... Überleben ist hier wichtiger als kräftige Tiere.
- sehr stark erhöhte Ausbruchsneigung, da die Ameisen verstärkt und zielstrebig nach besseren Nahrungsquellen suchen... und zum Thema "Territorium erobern" verstehen Ameisen Null Spass und mutieren zum "Territoriuminator".
- hiermit verbunden gleichzeitig erhöhte Sterblichkeitsrate, denn Ameisen suchen "verzweifelt" Nahrung, bis sie umfallen... im wahrsten Sinne des Wortes, und Altruismus wird für die Kolonie zu Altruinierismus!
- und wenn bei Arten, die nicht aus Habitaten mit gleichmässiger Nahrungsversorgung stammen, die Klima-Bedingungen nicht exakt stimmen, legen sie schlicht ne Sommer-, Winter- oder Trockenheitspause ein und verkrümmeln sich stumpf in ihr Nest.
Bei dieser Diskussion darf nicht vergessen werden: praktisch jedes "große" Formicarium ist bereits eine beengende Notsituation und nahezu keiner Art kann die natürliche Größe eines Territoriums gewährt werden... nicht umsonst kämpfen wir Halter mit einer Reihe von Fehlverhalten. Stellvertretend kennt jeder Polyrhachis dives - Halter die Fehlverhalten "Tote rumschleppen" und "Gegenseitige Angriffe" als deutliche Indikatoren für Platzmangel. Bei anderen Arten sind Fehlverhalten ala Totpflegen und Verstümmeln von Brut, Gyne oder Imagines bekannt, die aus Bewegungsmangel herrühren.
Die Folgen einer zu beengenden Haltung sollten also deutlich sein.
Keine Art zeugt Nachwuchs zum plumpen Protzen, oder um die Imagines auf 20cm2 als dekorative Pyramide zur nächsten Blattlaus am Baum zu stapeln.
Ergo: das Wort "volksstarke Art" beinhaltet bereits einen großen Platzbedarf, teils unabhängig von der tatsächlichen Größe der Kolonie. Bereits eine einzelne Gründer-Gyne der Acromyrmex octospinosus furagiert bis 25m (!!!) um das Nest herum.
Lange Rede, langer Sinn:
man überlegt sich vorher, ob man auch nur einigermaßen die Platzansprüche einer Kolonie jetzt und in Zukunft erfüllen kann. Verlässliche Informationen erhält man am Besten von erfahrenen Haltern der betreffenden Art ohne kommerziellem Interesse und/oder entsprechende Veröffentlichungen über die natürlichen Lebensgewohnheiten.
Aber leider ist der Mensch allzu gerne geneigt das zu glauben, was für ihn am Günstigsten erscheint, bzw ihm zum Vorteil gereicht.
Ich frage mich nur immer wieder: warum lege ich mir Ameisen überhaupt zu?
Antwort: um mich an derem Verhalten zu erfreuen!
Was nützt mir aber nun eine Kolonie, die aufgrund der Platzverhältnisse niemals ihre Verhaltensmuster und Vielfalt zeigen kann und etliche Fehlverhalten an den Tag legt?