Servus Barristan,
Danke für das Einstellen deines Blogbeitrags. Dieser ist leider nicht komplett vollständig, da die auf deiner Homepage als Zitat eingestellten Teile beim Copy/Pasten verloren gegangen sind. Ich erlaube mir, diese einfach vom Blog zu zitieren, weil ich jetzt trotz der Möglichkeit deinen Beitrag nicht entsprechend editieren wollte. Kannst du aber gern nachholen. Natürlich ist eine Debatte immer erwünscht.
Ich gehe daher mal abschnittsweise auf ein paar einzelne Punkte ein. Leider hat sich ja noch keiner sonst dazu geäußert, daher bist du, Barristan, jetzt der Einzige, den ich zitieren kann (nicht persönlich nehmen, denn ich teile deine Meinung in vielen Fällen nicht):
Leider ist der Artikel sehr schlecht, aber immerhin besser als der aus 2004 von A.B., denn immerhin hat man sich die Mühe gemacht einige Daten zusammen zu tragen. Ich habe meine Kritik schon in einem Blogpost veröffnetlicht, werde sie hier aber auch noch reinkopieren, da es wichtig ist, dass man sich auch kritisch dazu äußert:
Gut 6 Jahre sind seit Buschingers Beitrag „Risiken und Gefahren zunehmenden internationalen Handels mit Ameisen zu Privat-Haltungszwecken“ vergangen.
Mittlerweile ist ein neuer Artikel mit dem Titel „Invasiveness is linked to greater commercial success in the global pet trade“ bereits online erschienen. Leider wie so oft hinter einer Paywall von $10 weggesperrt.
Aber die Zusammenfassung und die Anhänge geben trotzdem schon einigen Aufschluss darüber, wie herangegangen wurde, daher kann man sich das Geld getrost sparen.
Ja, es ist bedauerlich, dass Bildung in unserer Gesellschaft nicht den Stand hat, dass jeder Interessierte generell auf wissenschaftliche Publikationen Zugriff hätte (und diese Einnahmequelle für die Autoren anderweitig ausgeglichen wird, denn die müssen natürlich auch nicht kostenlos publizieren und kostenlos arbeiten). Nichtsdestotrotz empfinde ich es als etwas eigenartig, eine Studie als per se schlecht darzustellen, die man offensichtlich gar nicht eingesehen hat. Das wäre, als würdest du ein Buch anhand des Covers und Klappentextes mit einer Kritik kommentieren, oder einen Film nach Sichtung seiner Trailer. Funktioniert so lala...
Nun habe ich natürlich auch Bezug darauf genommen, ohne den Artikel gekauft zu haben, aber meine Kernaussage ist auch erstmal eine ganz andere: Dass die Ameisenhalterschaft ein Verbot ihres Hobbys selbst mit provoziert, da Entscheidungsträger sich im Normalfall von wissenschaftlichen Beiräten, Beratungsgremien, Verbänden etc. beeinflussen lassen und nicht von ein paar hundert Hobby-Ameisenhaltern. Die Richtung wird schon anhand der wenigen Infos angedeutet und wie das Thema verstanden wird, konnte man ja in den Headlines und Artikeln diverser Medien schön beobachten. So, genau so kommt es auch beim politischen Entscheidungsträger an.
Es sind übrigens wohl gut 16 Jahre (2004), seit Buschingers Beitrag, kleiner Tippfehler, passiert halt.
Die eigentliche Schlussfolgerung aus den ganzen Daten müsste folgende sein:
Aber natürlich ist das nicht geschehen, denn wir alle wissen, dass der Pflanzenhandel eine zu große Lobby hat.
Jeder mag exotische Pflanzen, jeder hat welche im Garten, im Haus (vermutlich auch die Verfasser dieses Artikels), daher konzentriert man sich lieber auf Tiere, die eine geringere Lobby haben. Ameisenhalter dürften wohl die geringste Vertretung haben, also sind sie ein besonderes Ziel für Umweltschützer, die gerne alles Überregulieren möchten.
Wer mir nicht glaubt, kann sich ja diese Tabelle ansehen:
Ich musste etwas schmunzeln, weil ich - ohne deinen Blogbeitrag davor gekannt zu haben - das Thema Pflanzenhandel schon vorausgesehen habe. Ich stimme dir natürlich absolut zu, dass die Schlussfolgerung der Autoren, dass der Tierhandel reguliert werden muss und vom Pflanzenhandel keine Rede ist (scheinbar, denn keiner von uns hat den Artikel komplett vorliegen, ggf. sind die Zitate also auch aus dem Zusammenhand gerissen), sehr sehr kurz gegriffen ist. Da es ausreichend Beispiele für stark invasive Pflanzenarten und damit verbundene Problematiken gibt, müsste man den Handel dort ebenfalls viel mehr einschränken und kontrollieren. Solange du in einem Garten fast pflanzen kannst, was du willst (und die entsprechenden Samen etc. auch von Tieren verbreitet werden können), ist das Risiko der ungewollten Verbreitung halt gegeben. Scheint eine echte Gesetzeslücke zu sein.
Nur, wie ich schon sagte, bringt es reichlich wenig, mit Heulen und Wehklagen mit dem Finger auf andere Branchen zu zeigen, statt sich an der eigenen Nase zu packen - zumal, wenn man Teilnehmer an einem absoluten Nischenhobby ist. Ob ein paar - lächerlich wenige - hundert oder tausend Ameisenhalter lamentieren, wenn ihr Hobby eingeschränkt wird, dürfte den Entscheidungsträgern - seien es nun Regierungen oder die EU, reichlich egal sein. Anders sieht es da eben dann doch mit den Käufern von (exotischen) Pflanzen aus, denn da dürfte es kaum jemanden geben, der nicht eine exotische Pflanze im Haushalt oder gar Garten hat. Wir reden also quasi von der gesamten Bevölkerung. Der hemmungslose Verkauf von exotischen Pflanzen für Haus und Garten wird btw durchaus seit Jahrzehnten kritisiert. Nützt nur nicht viel, wenn fast jeder solche zuhause stehen hat und daher keinerlei Bewusstsein für die Problematiken da ist. Zudem stehen da ungleich höhere wirtschaftliche Faktoren dahinter, was für die Regierungen im Normalfall ein gutes Argument ist, um den Handel zu erlauben, obwohl es Probleme und Risiken gibt. Wen sowas stört, der muss halt "grüner" wählen.
Ergo kann man diese Diskrepanz zu Recht kritisieren, tue ich auch - nur fürchte ich, wird da nicht viel ankommen bei denen, die darüber entscheiden.
Etwas stutzig wurde ich bei der großen Anzahl von invasiven Arten bei den Ameisen und auch die hohe Anzahl der gehandelten invasiven Ameisenarten. Sicher es werden Arten wie Pheidole megacephalla, Tetramorium bicarinatum usw. gehandelt, allerdings erscheint mir die Zahl von 57 etwas hoch.
Dass als Quelle Antmaps.org angegeben wurde, erklärt vermutlich die hohe Anzahl der invasiven Ameisenarten. Denn bei Antmaps.org wird lediglich (wenn man von den nicht bestätigten, Innenraumsichtungen usw. absieht) nur zwischen einheimisch (native) und nicht einheimisch (exotisch).
Auch ich bin hier etwas stutzig geworden, da mich die hohe Zahl der (angeblich) gehandelten invasiven Arten überrascht hat. Natürlich sind ein paar übliche Kandidaten bekannt, aber der Anteil schien mir auch etwas hoch, sodass ich mich gefragt habe, woher die Daten kommen und wie oft diese Ameisen überhaupt gehandelt wurden. Das ist sicherlich, ohne viele Stunden Arbeit hineinzustecken, schwer zu bewerten, da man dutzende Verkaufsplattformen sichten müsste, v.a. aber auch Verkäufer in sozialen Medien, wie es aus dem asiatischen Raum aus sehr üblich ist.
Belassen wir es daher erstmal bei der deutlich kleineren Liste, die von dir genannt wurde, aus der Global Invasive Species Database und schauen uns an, welche davon in einer Kurzrecherche (natürlich wie üblich oft saisonal und nicht über das ganze Jahr) auch ohne lange Recherchen (kurz sowas wie "buy XYZ" oder "XYZ kaufen" gegoogelt, 1-2 Trefferseiten und Treffer gesichtet) in Shops zu erwerben sind bzw. angeboten wurden und die auch hierher verkauft werden (oder von hier aus). In sozialen Medien wurde nicht gesucht, dort findet man aber durchaus auch oft Handelsangebote, ebenso wie auf eBay und eBay Kleinanzeigen.
Acromyrmex octospinosus: In Shops zu erwerben
Anoplolepis gracilipes: In Shops zu erwerben
Lasius neglectus: keine Angebote gefunden
Linepithema humile: keine Angebote gefunden
Monomorium destructor: keine Angebote gefunden
Monomorium floricola: In Shops zu erwerben
Monomorium pharaonis: In Shops zu erwerben
Myrmica rubra: brauchen wir nicht drüber reden, wird v.a. von hierzulande aus distributiert
Nylanderia (=Paratrechina) pubens: keine Angebote gefunden
Pachycondyla chinensis: In Shops zu erwerben
Paratrechina longicornis: In Shops zu erwerben
Pheidole megacephala: In Shops zu erwerben
Solenopsis geminata: In Shops zu erwerben
Solenopsis invicta : In Shops zu erwerben
Solenopsis papuana: keine Angebote gefunden
Solenopsis richteri : keine Angebote gefunden
Tapinoma melanocephalum: In Shops zu erwerben
Technomyrmex albipes: Gefunden, aber vermutlich keine Lieferung nach D, Shop rein auf Chinesisch
Wasmannia auropunctata: wurde mal von World of Ants verkauft, der Shop existiert aber nicht mehr. Hier das damalige Angebot als Screenshot: http://www.myrmecos.net/2012/06/16/9844/
Sprich: Von den in dir zitierten Liste genannten 19 Arten kann man immerhin 11 auch unkompliziert über Shops erwerben, von Privatverkäufern - gerade aus Asien - brauchen wir dann auch nicht mehr anfangen. Diese von dir genannte Liste ist aber das Minimum dessen, was ich zu invasiven Ameisenarten im Netz gefunden habe. Es gibt auch andere Listen, die deutlich umfangreicher sind, teils aber leider auch unübersichtlich. Wer wann wie und wo die Arten entsprechend klassifiziert hat, wird zumeist nicht ganz klar. Wie auch immer: Diverse dieser Listen werden wohl auch der Studie zugrundeliegen und daher dürften die Unterschiede in unserer eigenen Wahrnehmung zu denen der Autoren herrühren.
Jetzt ist natürlich die Frage, welche Definition man von „invasive Art“ heranzieht. Da der Artikel aber klar mit dem Naturschutz argumentiert, sollte man auch die in diesem Bereich gängige Definition von „invasiver Art“ verwenden: ["Im Naturschutz werden die gebietsfremden Arten als invasiv bezeichnet, die unerwünschte Auswirkungen auf andere Arten, Lebensgemeinschaften oder Biotope haben."]
Somit ist die Anzahl der genannten invasiven Ameisenarten (aus Sicht des Naturschutzes) viel zu hoch, da nur ein Bruchteil der genannten Arten auch wirklich einheimische Ameisenarten verdrängen oder sonstige unerwünschten Auswirkungen haben. Realistischer wäre die Liste der global invasive species database.
Deine Schlussfolgerung ist leider etwas zu kurz gegriffen. Unerwünschte Auswirkungen sind ebenso, in Konkurrenz zu einheimischen Arten zu treten oder diese in anderer Form zu belangen. Dein Zitat ist etwas verkürzt wiedergegeben, da du nur den ersten Satz zitiert hast. Das Bundesamt für Naturschutz schreibt dazu genauer:
Im Naturschutz werden die gebietsfremden Arten als invasiv bezeichnet, die unerwünschte Auswirkungen auf andere Arten, Lebensgemeinschaften oder Biotope haben. So treten invasive Arten z.B. mit einheimischen Arten in Konkurrenz um Lebensraum und Ressourcen und verdrängen diese (siehe auch
Auswirkungen
Invasivitätsbewertungen
Arten-Handbuch
Neobiota und Naturschutz).
Auch außerhalb des Naturschutzes werden gebietsfremde Arten oftmals als invasiv bezeichnet, wenn sie ökonomische (z.B. Unkräuter wie die Erdmandel, Cyperus esculentus) oder gesundheitliche Probleme verursachen (wie der Verbrennungen verursachende Saft des Riesen-Bärenklaus, Hercaleum mantegazzianum (siehe auch Auswirkungen).
Alles anzeigen
Da klingt das nun schon etwas anders. Wir müssen glaube ich nicht darüber reden, dass Ameisen - etwas wahrscheinlicher als Pflanzen es vermögen - mit anderen Arten in Konkurrenz um Nahrung und Lebensraum treten oder auf ihre Umwelt direkte und indirekte Auswirkungen haben. Unter den Top 100 der invasivsten Tierarten (ebenfalls von der von dir zitierten Liste) finden sich schonmal ganze 5 Ameisenarten. Das muss man in Relation dazu sehen, dass dort auch Bakterien, Pilze, Pflanzen und vieles anderes auftaucht.
Der Wettbewerb und damit unerwünschte Auswirkungen gehen also bei der direkten Konkurrenz von Ameisen zu anderen Ameisen los, geht über deren Nahrung, jene Tiere, die sie bei sich dulden, beherbergen oder gar pflegen, bis letztendlich zur Belästigung des Menschen durch die Tiere (Bisse, v.a. aber Stiche, Besiedlung des direkten Lebensraums, etc.pp.). Leider ist die Studie des BfN bzgl. Insekten und Spinnentieren erst "in Vorbereitung". Da dürfen wir wohl an die 20 Jahre darauf warten, wenn man das übliche Tempo unserer staatlichen Einrichtungen zugrunde legt, bis wir wissen, welche Insektenarten vom BfN als invasiv oder potentiell invasiv gesehen werden.
Solenopsis invicta wäre da aber trotzdem wieder mal ein gutes Beispiel für eine invasive Art in anderen Ländern, da die Beeinträchtigungen durch diese in Teilen der USA immens sind und das in einer Vielzahl der oben genannten Punkte. Das Beispiel führt uns gleich zum nächsten Thema:
Da lediglich betrachtet wurde, wie viele invasive Ameisenarten global gehandelt werden, wurde nicht berücksichtigt, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass sich eine bestimmte Art im Handelsgebiet ausbreitet.
Beispielsweise ist es sehr unwahrscheinlich, dass sich Solenopsis invicta hier ausbreiten wird, da sie eine subtropische Art ist und daher den Winter im Freien nicht überleben wird. Noch geringer sind die Chancen tropischer invasiver Arten wie Pheidole megacephalla, die ein noch wärmeres Klima benötigen.
Man sieht sehr schön bei der Art Solenopsis invicta in den USA, dass das Klima eine natürliche Barriere darstellt, so ist sie in den nördlichen Staaten der USA und auch in Kanada nicht im Freien präsent:
Das ist richtig, aber eben nur eine Momentaufnahme. Das U.S. -Ministerium für Landwirtschaft hat dazu bereits 2004 eine Karte veröffentlicht: https://www.ars.usda.gov/south…of-the-invasive-fire-ant/
Hier haben sie, auf Basis von Wetterstationsdaten, so gut es ihnen eben möglich war, die möglichen Verbreitungsräume bzw. das Ansiedelungspotential (leider nur) von Solenopsis invicta eingetragen. Auch wenn diese Art sich vielleicht nicht ganz optimal eignen, um das invasive Potential von Ameisen im Allgemeinen zu beschreiben, sind wir eben halt leider auf verfügbares Material angewiesen. Und zu Solenopsis invicta wurde, im Gegensatz zu anderen Arten, einiges geforscht, weil sie eben in den USA sehr große Probleme versursacht. Schaut man sich den Ausschnitt hier in Europa an, fällt auf dass das Potential - naturgemäß, denn es ist eben eine subtropische Art - in Südeuropa gegeben ist, sich nach Norden immer weiter ausdünnt und dann ganz verschwindet. Der Bereich hier in Südbayern ist als "unlikely" eingetragen, "Possible" ist es dann von Norditalien bis weiter in den Süden.
Nun müssen wir, hoffentlich, nicht ernsthaft darüber debattieren, dass diese Verhältnisse eben auch nicht starr sind, aber ganz eindeutig in eine Richtung weißen, die da lautet Erwärmung. In der Klimaforschung hat sich seit 2004 eine Menge getan, die Prognosen von Forschern aus den 70ern haben sich weitestgehend bestätigt - was interessant ist, wenn man sich einfach mal Zeiträume von etwa 50 Jahren anschaut und wie realistisch solche Einschätzungen denn sind (leider mehr, als einem lieb ist). Wir reden mittlerweile davon, dass das Klimaziel von 2°C max. Erwärmung wohl schon nicht mehr zu halten ist. Das bedeutet, dass wir hier, wenigstens in Süddeutschland, immer mehr in den Bereich hineinwandern, den heute Norditalien, Südfrankreich usw. aufweisen, mit immer heißeren Sommern, aber milden Wintern. Wer hier in Südbayern aufgewachsen ist, erinnert sich dann auch gerne an seine Zeiten als Kind, an die schneereichen Winter, schon im Oktober bei knackigen -15°C und tiefer. Ich weiß nicht, wann ich sowas das letzte Mal erlebt habe...
Wie auch immer: Trotz der Erwärmung haben wir hier insgesamt eine mehr als ausreichende Niederschlagsmenge und eine verhältnismäßig derart wasserreiche Umgebung, dass der hohe Feuchtigkeitsbedarf solcher Ameisenarten auch gedeckt werden kann. Zudem ist der Vergleich der USA mit Deutschland auch immer etwas ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Die USA haben eine ungleich größere Fläche, man sieht also schon, dass sich in dem Karten-Beispiel Solenopsis invicta über ein sehr weites Gebiet verbreitet hat, das die Landfläche Deutschlands vielfach überschreitet, das in etwa 100 Jahren. Im Kontrast dazu ist die Bündelung von menschlichen Ansiedlungen in den USA bei Weitem nicht so hoch wie hier. Im Gegenteil weisen die USA, erfreulicherweise, sehr weite Landabschnitte ohne größere menschliche Besiedelungen auf. Während man in Deutschland im Normalfall immer vom eigenen Heimatort schon das nächste Dorf/Stadt/Stadtteil sehen kann, ist das in den USA sicher nicht der Fall. Auf was ich hinaus will ist, dass der Mensch es mit seinen Besiedlungen potentiell invasiven Arten noch leichter macht. Denn in Städten und auch Dörfern herrscht grundsätzlich durch die Bebauung eine höhere Temperatur, als in schwach besiedelten Landstrichen. Wer in einer Stadt wie München wohnt, weiß das, denn das Lamento, dass es draußen in den Dörfern heftig schneit, in der Stadt aber die Flocken kaum bis zum Boden kommen, nehme ich jährlich aus meinem Freundeskreis wahr. Es ist dort einfach wärmer, als irgendwo in der Provinz, ein wenig, als hätte man dem ganzen Gebiet eine Käseglocke übergestülpt. Dazu kommt ein durchaus vorhandenes und ausreichendes Wasserangebot. Während also in den USA diese (Ameisen-)Arten durchaus mit der Natur zu kämpfen haben, kann die dichte Besiedlung eines Lands wie Deutschland ein Faktor sein, der es diesen Arten leichter macht, sich anzusiedeln, da die Bedingungen dort weitaus stringenter sind, als irgendwo in der Pampa.
Gutes Beispiel hierzulande ist hier eine Kolonie Pheidole pallidula in Gießen/Hessen, die im Jahrbuch "Naturschutz in Hessen Band 19/2020" (also sehr aktuell) beschrieben wird und die ich hier stark verkürzt schildere. Auch hier behauptet freilich niemand von Seriosität, dass Ameisenhalter damit zu tun hätten, sondern auch hier ist, leider, wieder der Pflanzenhandel im Fokus, woher die Ameisen kommen könnten. Diese Kolonie (im entsprechenden Sinne, es gibt einen Verbund einer Vielzahl von Völkern in Einzelnestern, die gegeneinander nicht aggressiv sind) besiedelt dort einen ca. 450m langen Straßenzug und begann zuletzt damit, sich auf die andere Straßenseite auszubreiten. Da mMn anzunehmen ist, dass die Ameisen hier einfach von wärmeführenden Leitungen profitieren und so auch im Winter keine Probleme haben, zeigt sich ganz gut, dass wir Menschen es solchen Arten eben doch etwas leichter machen. Im Bereich dieser Kolonien gibt es btw keine einzige Lasius niger Kolonie, auch keine Tetramorium oder andere Ameisenarten mehr. Da kann man sich, aufgrund deren Verbreitung und Aggressivität gegen andere Ameisen, schon fragen, wo die abgeblieben sind. Auf einem halben km städtischer Straße sollte einem im Normalfall schon eine Vielzahl Lasius niger Nester auffallen.
Ich finde es, nicht nur aus dem Grund, immer etwas kurzsichtig, zu sagen: "Heute ist das nicht möglich und Beispiel XYZ zeigt ja auch die natürlichen Barrieren", wenn wir uns ins einer Phase des massiven Wandels befinden und es in lediglich 50 Jahren (was für die Natur eine wirklich extrem kurze Zeit ist, wenn auch nicht für ein Menschenleben) hierzulande deutlich anders aussehen dürfte, als noch heute (oder eben 2004, zum Zeitpunt, als die Karte veröffentlicht wurde). Und da wir, in unserem sehr sehr eng besiedelten und wärmer werdenden Land und mit einem seit vielen Jahren steigenden Flächenfraß durch Verstädterung, inkl. reichhaltigem Nahrungsangebot, es diversen Arten leicht machen, hier potentiell Fuß zu fassen, greift das Argument "Unmöglich" oder "unwahrscheinlich" eben nur teilweise. Mir ist das vielleicht egal, wie die Welt aussieht, wenn ich in 50 Jahren dann dement im Altersheim versauere, aber den nachfolgenden Generationen eben naturgemäß nicht.
Verkaufszahlen wurden nicht berücksichtigt
Wichtig um das Risiko beurteilen zu können wären die genauen Verkaufszahlen der einzelnen Arten. Selbst wenn ein Shop eine Ameisenart lediglich einmalig im Angebot gehabt hätte, würde sie dort auftauchen. Dabei ist es doch aber ein Unterschied ob im Jahr 5000 Kolonien einer Art global verkauft werden oder lediglich 10.
Da stimme ich dir zu, wäre interessant, welche Zahlen da zugrunde liegen. Dennoch sieht man daran ja, dass es ein Angebot gab oder gibt und eben keinen Willen, freiwillig auf solche Arten zu verzichten. Und auch eine Nachfrage (die Gesuche nach einigen solcher Arten findet man nämlich durchaus auch, siehe z.B. Antstore-Ameisenauktion), die ggf. auch bedient wird. Ein Shop bewirbt Solenopsis invicta mit "Bei Solenopsis invicta handelt es sich um eine der invasivsten Ameisenarten überhaupt." Ob das so stimmt, sei mal dahingestellt, aber scheinbar ist es immerhin ein Werbeargument. Behält man im Kopf, dass wohl ein nicht unerheblicher Teil der Ameisenhalter minderjährig oder wenigstens noch im Bereich unter 25 Jahren ist und sich durchaus von Superlativen beeindrucken lässt, kann man getrost davon ausgehen, dass entsprechendes seinen Eindruck hinterlässt und eben auch gekauft wird.
Wenn ich Halter persönlich frage: "Warum hast du eigentlich deine Tetramorium bicarinatum gekauft?" kommt eigentlich immer sowas wie "Ich wollte das legendäre Koloniewachstum selbst mal erleben". Lustig dann, wenn genau diese Halter mir irgendwann 2 Jahre später sagen, dass sie selbst die Kolonien ganz oder teilweise um die Ecke gebracht (aka überbrüht) haben, weil sie ihnen so unheimlich wurden und sie mehr als einmal die Ameisen eben leider doch im Haus herumlaufen hatten. Kann man abtun mit "Dann waren die halt inkompetent", zeigt aber eben auch, dass Ausbruchsschutz nicht jedermanns Sache ist - auch nicht von in dem Fall erwachsenen Menschen Mitte/Ende 30. Und ich persönlich würde das auch nicht meinem pubertierenden 14-jährigen Kind überlassen, sich adäquat neben TikTok, Insta und Youtube auch noch laufend um den Ausbruchsschutz einer Ameisenkolonie zu kümmern. Dass diese Halter btw nur im Vertrauen darüber sprechen, dass sie diese Arten überhaupt haben, zeigt, dass sie sich auch gar nicht erst der Debatte zu diesen Arten stellen wollen und sich auch bewusst sind, dass es da eine Problematik gibt. Dass eine weitaus größere Anzahl Halter als die genannten - und ich habe viele in den letzten 15 Jahren persönlich kennengelernt - mir sagen, dass sie "selbstverständlich" schon ausgebrochene exotische Ameisen hatten, die sie glücklicherweise rechtzeitig entdeckt haben, zeigt mir, dass die Gefahr aus dem Formicarium dann eben doch nicht komplett von der Hand zu weisen ist. Btw betrifft mich das ebenso, in meinem Fall war es Crematogaster scutellaris, die nachts ihr Territorium in mein "Kinder"zimmer (damals 19 oder 20 gewesen) erweitert hatten. Dass es daneben auch Halter gibt, die eine Art "freie Wohnungshaltung" bevorzugen (zugegeben selten, aber auf Youtube schon gesehen) und auch solche, die gerne ihre exotischen Lieblingsarten gezielt ansiedeln wollen würden (auch selten, aber weitaus häufiger als ersterer Typ), sei mal noch dahingestellt.
Handel mit Ameisen noch zu neu?
Es wird erwähnt, dass der Ameisenhandel noch zu neu sei, um für die Verbreitung verantwortlich zu sein:
Mittlerweile gibt es den kommerziellen Ameisenhandel in Europa seit über 21 Jahren, warum sollten 21 Jahre also zu neu sein, um invasive Ameisenarten hervorzubringen? Evtl. zeigt diese lange Zeitspanne ohne neue invasive Ameisenarten ja auch, dass die Gefahr so gering ist und es deshalb zu keinen neuen Invasionen durch den Ameisenhandel kommt?
21 Jahre sind für natürliche Prozesse schlicht ein Fliegenfurz. Die Ausbreitung der so viel zitierten Solenopsis invicta hat mWn erst in den 1920ern begonnen und ist sicher auch noch nicht abgeschlossen. Schaut man sich mal Solenopsis geminata an, sieht man, dass deren Ausbreitung wesentlich früher stattfand, ab ca. 1800-1850 sind erste Funde an fremden Gestaden gemeldet worden. Und siehe da, diese Art ist im Gegensatz zu Solenopsis invicta auch wesentlich weiter über die gesamte Welt verbreitet, die findest du auch in den Niederlanden, England, Griechenland... um ein paar europäische Beispiele zu nennen, aber selbstverständlich aufgrund ihres Ursprung auch in tropischeren Regionen.
https://www.researchgate.net/p…ta_Hymenoptera_Formicidae
Dazu will ich nochmal - ich weiß nicht, wann du, Barristan, mit der Haltung angefangen hast - darauf hinweisen, dass in den 2000ern die Exotenhaltung alles andere als voll etabliert war, sondern sich die Ameisenhalterschaft in zwei sehr konfliktsuchende Lager der Exoten- und Antiexotenhalter aufgespaltet haben. Kannst ja gerne mal ein bisschen in den Beiträgen von den frühen und mittleren 2000ern hier im Forum stöbern, das Café ist eines der ältesten Ameisenforen auf dem Markt. Ich habe damals 2006 mit Pheidole pallidula angefangen (und halte auch heute noch Exoten), weil ich in dem Fall die Kastenbildung und das Wachstum beeindruckend fand und ich habe damals genug Anfeindungen dafür erhalten - was heute unvorstellbar wäre. Über die Jahre wurde die Haltung von Exoten überhaupt erst hoffähig. Die Haltung von Arten, die man im Allgemeinen als "invasiv" bezeichnet ist eine ziemlich neue Entwicklung, die erst in den letzten Jahren so langsam am Markt angekommen ist (ich rede von Shops, nicht von dunklen Privatkanälen). Die Ameisenhaltung wird sicher nicht den Status erreichen, für die Verbreitung von Ameisenarten so eine Rolle zu spielen, wie der Pflanzenhandel - da stimmen wir auch überein - aber wie gesagt ist es eben auch wesentlich leichter, für seine politische Entscheidung ein paar wehklagende Ameisenhalter zu ertragen, die im Jahr ein paar Hunderttausend Euro umsetzen und deren Haltung einzuschränken, als den millionenschweren Pflanzenmarkt und quasi jeden Bürger des Landes.
Meinung
Wie damals beim Artikel von Herrn Buschinger frage ich mich, wie groß ist denn nun die Gefahr? Dass eine Gefahr besteht, ist unbestreitbar. Ich kann morgen aus der Tür gehen und mich kann dann ein Meteorit erschlagen, es besteht eine Chance, dass dies passiert. Genauso würde das Verbieten von Holzkohlegrills einen Beitrag zum Klimaschutz haben. Auch kann es passieren, dass ein Teelicht umgestoßen wird und somit ein Brand verursacht wird, bei dem auch Menschen zu Schaden kommen können.
Die wirkliche Frage ist aber, wie groß ist die Chance, dass so etwas passiert, oder wie groß ist der Beitrag? Soll man also Holzkohlegrills verbieten, nur weil sie einen (noch so kleinen) Beitrag zur Klimaerwärmung darstellen. Ist das Verbieten von Teelichtern gerechtfertigt, da die Chance besteht, dass dadurch Menschen zu Schaden kommen? Oder sollte man Schutzmaßnahmen treffen, die das Erschlagen durch Meteoriten vor der Haustüre unterbinden?
Die Antwort dürfte bei diesen Vergleichen sehr eindeutig sein, aber auch beim Thema der Regulierung des Tierhandels sollte man sich fragen, ob die Personen, die neue Regulierungen, Verbote usw. fordern, auch genug Belege dafür liefern, dass von beispielsweise dem Ameisenhandel eine akute Gefahr ausgeht.
Genau diese Belege liefert der Artikel nicht.
Mal abgesehen davon, dass die meisten dieser Vergleiche leider schon etwas an den Haaren herbeigezogen (Holzkohle z.B. heißt nicht umsonst so und ist aus entsprechend zertifizierten Quellen ein tendenziell klimaneutraler, da nachwachsender Rohstoff, im Gegensatz zu fossiler Kohle) und teils hoffentlich als Spaß (Meteoriten) gemeint sind, weiße ich nochmal darauf hin, dass den Entscheidungsträger da weder einen Barristan von crazyants.de, noch einen ice_trey aus dem AmeisenCafé als Grundlage seiner Entscheidung heranziehen wird, sondern wissenschaftliche Beiräte, Gremien, Naturschutzverbände, Ameisenschutzwarten etc.pp.
Den Artikel hingegen hast du ja nicht gekauft/komplett gelesen, weißt also auch gar nicht, welche Belege er denn im Endeffekt dann überhaupt heranzieht.
Genannte Personen/Einrichtungen/Interessengruppen haben ein weitestgehend einheitliches Bild von der Ameisenhaltung: Dass der Ameisenhandel mit Exoten oder teils sogar komplett, also auch mit einheimischen Arten, abzulehnen ist. Das liegt übrigens teilweise auch am Umgang der Ameisenhalterschaft mit solcherlei Personen und Einrichtungen - denn wenn man persönlich wird, dann schlägt das halt auch irgendwie zurück
Bevor ich jetzt, nur am Rande, auch irgendwo als "Darmsymbiont" gelistet werde, sei zu sagen, dass ich teils auch schon meine Probleme mit gewissen Personen und Einrichtungen hatte, aber grundsätzlich eine Person bin, die sich in beiden Welten teilweise beheimatet fühlt und entsprechend wohl eher neutral bis beobachtend ist. Ergo schreibe ich all das hier aus meiner ganz persönlichen Warte aus, ohne irgendwem gefallen zu müssen oder überhaupt zu wollen.
Man darf gespannt sein, was die nächsten 10-20 Jahre da an Entscheidungen bringen, aber ich kann dazu nur sagen: Wir tun uns keinen Gefallen, hemmungslos Arten zu kaufen, nur weil es geht. Und diese Frage hat mir auch noch kein Ameisenhalter sinnig und stichhaltig beantworten können: Warum kann man nicht auf ein paar dutzend Arten freiwillig verzichten, die ganz offensichtlich in anderen Teilen der Welt für massive Probleme sorgen, wenn das Angebot durch Shops und Privatverkäufer mehrere hundert spannende, aber weitaus weniger problematische Arten aufweist? Es ist ja nun nicht so, dass es uns an Alternativen mangeln würde. Aber scheinbar ist der Reiz des "Verbotenen" (im Sinne dessen, dass die Haltung einiger dieser Arten noch vor 15 Jahren noch geradezu unvorstellbar war und dass auch heute in den Gesuchen oft genug was dabei steht ala "Jaja, ich weiß, dass die Art problematisch ist, muss mir keiner schreiben") dann doch zu hoch.