Hallo Steffi,
erstmal herzlich Willkommen im AmeisenCafé!
Das wird jetzt erst mal sehr viel... aber ich bin sicher, du hast die Geduld, das zu lesen... [Blockierte Grafik: https://ameisencafe.de/cafe/wcf/images/smilies/wink.png]
Ich muss zugeben, dass ich sogar die maximale Zeichenanzahl von 10.000 erhöhen musste, um das hier zu posten zu dürfen...
Normalerweise stehe ich Ameisenhaltung an ("normalen") Schulen eher skeptisch gegenüber, aber ihr habt bei euch ja anscheinend ein sehr weitgreifendes Konzept für die Kinder, mit Kleinstlebewesen umzugehen und für diese zu sorgen.
Daher finde ich das Projekt unter diesen Voraussetzungen unterstützenswert, zumal Ameisen leider oft einen schweren Stand haben. Nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen, die Ameisen meist als äußerst lästig empfinden und lieber zur Tötung übergehen, statt sich zu arrangieren. Daher kann die Bildung von Kindern in der Richtung sicher nicht falsch sein, wenn man es gut angeht, um sie unter anderem etwas für die Daseinsberechtigung, den Nutzen und die ökologische Bedeutung von Ameisen zu sensibilisieren. Da kann ich durchaus auch verstehen, dass das ggf. auch mehr "Impact" hat, wenn man "seine" Kolonie betreut, statt nur draußen einen Ameisenhaufen anzuschauen.
Zeitgleich will ich dir ganz realistisch helfen, das einzuschätzen und hoffe, mein Beitrag hier gibt erste Impulse, die du gerne vertiefen kannst.
Die Kolonie sollte keine Winterruhe halten.
Verständlich, denn die 4-6 Monate Pause pro Jahr sind schon für den erwachsenen Ameisenhalter schwer erträglich, für Kinder wird das nicht besser. Damit fallen alle mitteleuropäischen und die meisten südeuropäischen Arten heraus, da diese zwingend eine Winterruhe einhalten müssen, da sonst ein Risiko der Kolonieschädigung besteht.
Es gibt teils die selben Arten mit unterschiedlicher Herkunft. Bei diesen Arten fällt die Winterruhe teils heraus, jedoch ist die Verfügbarkeit in den Shops etc. teils schlecht. Du musst ggf. damit rechnen, dein Projekt erst nächste Saison umsetzen zu können, weil du die Ameisen einfach nicht früher bekommst. Das ist abhängig von den Schwarmflügen vor Ort, sowie ob überhaupt entsprechende Sammler vor Ort dann auch für Shops oder für den eigenen Verkauf vorhanden sind.
Messor arenarius z.B. gibt es sowohl in Südeuropa, als auch Nordafrika - erstere Variante benötigt eine Winterruhe, zweitere nicht zwingend. Die Herkunft ist also entscheidend, auch wenn es sich um diesselbe Ameisenart handelt. Beide Varianten sind an die lokalen Begebenheiten angepasst. Das muss man mit dem Händler/Verkäufer genau klären und sich dabei auch auf dessen Angaben verlassen können.
Die Kolonie sollte über die Jahre nicht allzu gross werden. Langsames Wachstum ist kein Problem.
Nun, "groß" ist sehr subjektiv und es gibt noch anhängige Fragen dazu. Natürlich kann man gerade bei jungen Kolonien mit kleinen Arenen und Nestern arbeiten, teils sogar sehr kleinen. Für eine kleine Messor-Kolonie würde ich als Halter ein steppenartig eingerichtetes Becken mit ca. 30 x 50 cm Grundfläche zur Verfügung stellen, zusätzlich einen Nestteil, wie z.B. die von dir angesprochene Farm. Man muss aber damit rechnen - gerade wenn es gut läuft und die Bedingungen passen - dass man das Becken in den Folgejahren erweitern oder tauschen muss. Auch ein 40 x 80 cm Becken, sowie ggf. weitere Nestbereiche sollten später noch Platz finden (kann man auch auf Regalen über dem Sideboard anbringen). Wenn man die Kolonie umstellen muss, aus welchen Gründen auch immer, muss man all das zeug natürlich auch transportieren können.
Das Koloniewachstum hängt von einigen Faktoren ab, vor allem der Art (je größer, desto langsamer), der Temperatur (je höher, desto schneller - natürlich im für die Art passenden Temperaturbereich), Menge und Qualität des Futters (darüber kann man indirekt das Brutwachstum steuern), sowie weitere wichtige Parameter, wie Luftfeuchtigkeit usw.
Anfangs ist anzuraten, alle Parameter möglichst passend zu setzen, damit die kleinen Kolonien (oder auch nur die Gründerkönigin) entsprechend die Kapazitäten hat, sich gut und gesund zu entwickeln. Stellt man fest, dass die Kolonie unerwartet schnell wächst, was normalerweise erst nach 2-3 Jahren stattfinden dürfte, kann man die Lebensbedingungen wie oben geschrieben etwas anpassen, bzw. gezielt verschlechtern. Das muss man gut austarieren, denn man will natürlich nur das Wachstum dämmen, nicht, dass es zur Schädigung oder gar Absterben der Kolonie kommt.
Die Gründung einer Königin ist ein kritischer Moment, kann daher auch misslingen und ist auch sicher nicht besonders spannend für Einsteiger - ich rate daher zu einer kleinen Kolonie.
Die Kolonie darf nicht zu stressanfällig sein. Ich möchte das Nest und Arena auf ein Sidebord stellen, damit es erschütterungsfrei steht. Nicht an die Scheibe klopfen wissen alle Kids vom ersten Tag an. Trotzdem laufen halt viele Leute daran vorbei.
Das ist leider nicht nur artverschieden, sondern sogar unterschiedlich je nach Kolonie. Ich kann dir aus vielen eigenen Erfahrungen sagen, dass manche Kolonien bei gewissen Situationen panisch reagieren, bei denen Kolonien ungefähr selber Größe und Art sehr ruhig bleiben. Natürlich gibt es einen gewissen Gewöhnungseffekt und Kolonien reagieren auch je nach Alter, Größe, Temperatur, etc. unterschiedlich. In der Tendenz sind jüngere Kolonien weitaus ängstlicher als ältere, große, wehrhafte, mit gut ausgebautem Territorium. Das Vorbeilaufen ist kein Thema, das machen die meisten Ameisenhalter regelmäßig. Vor allem der Nestbereich sollte aber möglichst wenig erschüttert, berührt, angehoben etc. werden, da dieser für die Ameisen der heilige Gral ist. Der Standort sollte nicht der prallen Sonne ausgesetzt sein, weil ein Hitzestau die Ameisen tödlich schädigen kann. Das passiert schneller, als man denkt, da Ameisen ja eigentlich wärmeliebend sind.
Es gibt seit Jahren Debatten darüber, aber für eine Abdunkelung des Nests ist nach meiner Sicht zu sorgen, entweder durch lichtundurchlässiges Material, das man nur bei Bedarf zur Kontrolle abnimmt/anhebt (ggf. zu oft bei euch mit all den Kids), oder klassisch mit roter Folie, da Ameisen allgemein rotblind sind., da kann man auch mit einer starken Taschenlampe reinleuchten und die Ameisen sehen... nichts. So wie der Mensch mit UV-/IR-Licht eben. Meine eigenen Messor waren tendenziell auch eher lichtscheu, muss ich sagen.
Welche Art würde sich eignen? Messor erectus? Messor hesperius?
Körnersammelnde Gattungen (sogenannte Ernteameisen) sind die von dir angesprochenen Messor, aber auch Pogonomyrmex, sowie einige Pheidole-Arten. Ich will dir daher weniger exakte Gattungen/Arten vorschreiben, als anraten, mal in den diversen Shops (hier eine Liste: https://ameisencafe.de/cafe/in…d/9707-Ameisenshop-Liste/) nach Arten dieser Gattungen zu suchen und nach Infos dazu, wo diese jeweils herkommen. Wobei ich von Pheidole abraten würde, da ich diese insgesamt durch ihre meist sehr kleine "Bauart" für deutlich schwerer zu beobachten und zu handhaben (Ausbruchsschutz!) einschätze.
Das definiert dann schonmal deine Haltungsparameter, je nach Herkunft weißt du, für welche Temperatur und Luftfeuchtigkeit du sorgen musst. Die Art selbst definiert desweiteren dann z.B. die Größe und Farbgebung der Ameisen, sowie oftmals gewisse Besonderheiten. Die beiden von die angesprochenen Arten (bzw. korrekterweise Messor minor hesperius) gibt es jedenfalls als nordafrikanische Varianten, daneben aber noch zahlreiche andere. Die Shops gliedern meist nach Kontinenten, das macht dir die Suche einfacher.
In den Ferien bleiben die Tiere eigentlich in der Schule. Da ich aber die Ameisen nicht so lange alleine lassen kann wie die anderen Tiere, möchte ich sie jeweils in den langen Ferien nach Hause nehmen. Da hätte ich ein Korknest angedacht oder ein Digfix damit es nicht zusammenstürzt beim Transport. Denkt ihr, das funktioniert?
Ein Korknest ist eher für arboricole, also baumbewohnende Arten gedacht. Digfix ist ein recht neues Material in der Ameisenhaltung und ich habe dazu keine persönlichen Erfahrungen. Ich kann dir aber versichern, dass klassiche Sand/Lehmgemische (1:1) äußerst stabil sind und auch beim Transport nicht allzu leicht einstürzen. Da muss man die Farm schon gezielt schütteln. Eine Farm ist an sich eine ganz gute Idee, um die natürlichen Grabeaktivitäten der Ameisen zu beobachten, das Handling will aber gelernt sein. Gerade da die Samen und Körner nicht keinem dürfen, muss man es auch hier schaffen, durch die gezielte Wässerung (und nicht-Wässerung) verschiedene Feuchtigkeitsbereiche im Nest zu schaffen, was bei der Farm durch die Kapillarwirkung des Substrats nicht ganz einfach ist. Ein paar Testläufe vorab, ohne Ameisen, sind anzuraten, um Wassermenge und Wässerungsintervall abschätzen zu lernen. Bei großen Kolonien ist das einfacher, da kann man auch eine Fram gut wässern, die andere trocken halten - junge Kolonien hingegen werden sich im Normalfall nicht auf zwei Farmen einlasse, sondern einen sehr begrenzten Bereich nutzen.
Ganz allgemein musst du dich natürlich fit machen in allen Belangen der Ameisenhaltung. Vor allem auch, weil Ameisen doch ziemlich andere Ansprüche stellen, als andere Terrarientiere, bei denen man z.B. keinen zusätzlichen Ausbruchsschutz benötigt, bei denen nicht jede noch so winzige Lücke zwischen Deckel und Becken ein Risiko darstellt, etc.pp. - denn die Ameisen, vor allem exotische Arten, sollten zwingend dort bleiben, wo sie hingehören, im Becken. Das ist auch sehr sehr wichtig zu vermitteln, auch an Kollegen, wenn man - aus welchen Gründen auch immer - selbst aus der Verantwortung scheidet. Auf gar keinen Fall dürfen die Kolonien in irgendeiner Form in die freie Natur gelangen können oder gar "nach Gebrauch" dorthin ausgesetzt. Gut, das richtig zu machen traue ich euch nach deinen Schilderungen durchaus mehr als zu
Du findest viele Infos oben angepinnt in den Bereichen, vor allem im Bereich Allgemeine Diskussionen über Ameisen. Für exotische Arten musst du allgemein mehr Investitionen planen, als bei einheimischen - Thermometer, Hygrometer, Heizgeräte wie Matten/Strahler/Kabel, etc.; Dabei muss man aber auch nicht allen Quatsch kaufen, denn in den Shops gibt es auch viel, eigentlich unnötige, Ausrüstung und Futter. Du kannst gerne deine geplanten Einkäufe hier zur Debatte stellen. Auch Eigenbau statt Kauf spart Geld, falls nötig.
Hier sind noch ergänzend ein paar alte Threads zu ähnlichen Themen, wobei ich zugeben muss, sie nicht nochmal gelesen zu haben. Ggf. finden sich da aber ja noch ein paar Anregungen:
https://ameisencafe.de/cafe/in…im-Kindergarten/?pageNo=1
https://ameisencafe.de/cafe/in…ighlight=schule#post38504
https://ameisencafe.de/cafe/in…ighlight=schule#post21387
Ansonsten stehen wir gern mit Knowhow und Beratung jederzeit zur Seite.