Hi matt,
bin jetzt erst etwas später dazu gekommen, mich dem Thema zu widmen.
Erstmal finde auch ich es schön, dass du die Tiere interessant findest und nicht, wie viele andere, die Kolonie direkt wieder loswerden willst.
Nun ist es aber etwas schwer zu sagen, ob das Vorhaben, die Kolonie in ein von dir bereitgestelltest Nest umzusiedeln, wirklich gelingen wird, da Ameisen mit einem guten Neststandort diesen ungern aufgeben. Zudem kann keiner von uns sagen, wie groß diese Kolonie ist. Sollte die Kolonie schon größer und älter sein (wovon auszugehen ist, da die von dir gesehenen, großen Puppen Jungköniginnen beherbergen), wird sie deinen Behälter eher als willkommenen, weiteren Nestteil sehen. Das bedeutet aber nicht, dass die Königin je einen Fuß dort hineinsetzen muss. Da diese im Normalfall sehr tief im innersten Nest lebt und ein Umzug inklusive der Gyne nur dann stattfindet, wenn die Bedingungen im neuen Nest deutlich besser sind, als im Alten, ist ein Umzug sogar eher unwahrscheinlich.
Warum das? Die Tiere nutzen augenscheinlich den Behälter als Nestteil, sonst würden sie keine Brut dort eintragen. Doch dieser Nestteil liegt sehr exponiert, nah an der Oberfläche, direkt am Licht und ist somit als "Königinnenkammer" (ich nenne das jetzt so, die existiert in dem Sinne nicht, da die Gyne durchaus die genutzten Kammern wechselt) nicht gerade die erste Wahl. Als Lagerort für die Brut ist sie das aber schon, denn naturgemäß sind dort die Temperaturen höher als im Mauerwerk.
Dass die Tiere Brut in deinen Behälter tragen, ist daher noch nicht aussagekräftigt. Du sprichst zwar von "ihrer Brutkammer", es ist aber vielmehr so, dass Ameisennester eine Vielzahl an Brutkammern aufweisen, die teilweise auch sehr weit voneinander entfernt sind. Manche davon liegen sehr tief im Boden, andere sehr oberflächennah. Daneben tragen Ameisen ihre Brut auch gerne, wie du selbst ja siehst, herum und lagern sie temporär an Stellen, die ihnen dafür passend erscheinen. So kann es in freier Natur z.B. vorkommen, dass die Tiere Brut an eine wärmere Stelle tragen und wenige Stunden später alles wieder komplett umlagern. Damit sind auch deine Beobachtungen zu erklären, dass Brut von einem Eingang in den nächsten geschleppt wird - sie wird einfach umgelagert. Ein ganz normaler Vorgang in jeder Kolonie. Angenommen die Sonne scheint auf eine Außenwand, und dort befindet sich ein Teil des Nests, tragen die Ameisen Teile der Brut instintiv dort hin, da diese von der Wärme bzgl. der Entwicklung profitiert. Fällt wieder Schatten auf die Mauer und die Restwärme verschwindet, wird die Brut wieder weggetragen.
Nochmal explizit zu deinen Fragen:
Mit Wasser beträufelte Watte haben sie zu ca. 75% mit Erde bedeckt... warum auch immer!?
Ameisen bedecken Futter- und Wasserquellen sehr gern mit umliegendem Material. Warum, ist nicht abschließend geklärt, aber ggf. um die Futterquelle zu verstecken. Lasius emarginatus ist dabei auch sehr territorial mit ihren Futterplätzen. Bei dir kann es auch einfach sein, dass das Material zufällig genau dort hin geworfen wird, es liegt ja an anderer Stelle genauso viel davon herum, was nur nicht so auffällt.
Die Straße durch die Trennwand unter den Türstock existiert zwar, aber ich kann mir nicht erklären warum, was passiert dort denn noch?
Nun, Ameisenstraßen lösen sich meist nicht einfach so schnell auf. Dort ist eine hohe Konzentration an Pheromonen, der immer wieder Arbeiterinnen folgen (und dabei selbst Duftspuren setzen). Die Straße kann dabei entweder zu einer ergiebigen Futterquelle führen bzw. einmal geführt haben, das kann auch nach vollständiger Aufnahme der Nahrung dort eine Weile weiterbestehen. Oder sie ist schlicht ein Laufweg der Ameisen von einem Nesteingang zum nächsten etc.pp.
Lasius emarginatus ist zudem bekannt dafür, sehr ausdauernde und viel benutzte Ameisenstraßen zu bilden.
Eine trägt eine große Puppe aus einem Ausgang hinaus, und wieder bei einem anderen Eingang hinein. Die nächste trägt plötzlich zwei winzige Eier aus dem einen Ausgang hinaus, und in den nächsten hinein. Das passiert mehrer Male.
Außerdem wird immer wieder Thunfisch ins innere getragen. Wird da umstrukturiert?
Wie schon beschrieben, ganz normale Vorgänge in einer Kolonie. Nahrung wird eingetragen und teils verlagert, Brut wird von der einen, in die andere Kammer verlegt, usw.
Alltag im Ameisenstaat quasi
Wie viele Eier legt den eine Lasius emarginatus Königin am Tag wenn es ihr gut geht und Sie versorgt wird?
Das kann man so genau nicht sagen. Die Legeleistung hängt von zu vielen Faktoren ab, z.B. von der Nahrungsversorgung, der Jahreszeit, allgemeinen Umweltbedingungen, Koloniegröße, Alter der Gyne, ggf. auch genetische Veranlagung und noch einiges mehr. Je besser die Brut versorgt werden kann (also je größer die Kolonie schon ist), desto mehr Eier werden tendenziell abgelegt. Zudem reifen die Ovarien mit der Zeit aus, was die Legeleistung erhöht. Während eine Jungkönigin in Gründung erstmal auch bei guten Bedingungen während der kompletten Gründungsdauer nur eine Handvoll bis wenige Dutzend Eier ablegt, kann eine ältere Gyne mit zugehöriger großer Kolonie sicherlich dutzende bis hunderte Eier täglich ablegen.
Woran kann ich erkennen, dass die Königin eingezogen ist?
Nur indem du sie wirklich mal dort zu Gesicht bekommst. Die Gyne ist ja leicht zu erkennen, da sie massiv größer ist als die Arbeiterinnen. Die Lagerung von Brut ist wie beschrieben leider kein Indikator, dass die Gyne umgezogen ist oder überhaupt umziehen will.
Zu welcher Tageszeit sind die eigentlich aktiv, haben die eine Ruhepause?
Sowohl tag- als auch nachtaktiv. Da Ameisen wechselwarm sind, ist die Aktivität bei hohen Temperaturen aber oft deutlich höher, als bei niedrigen.
Du siehst, ich bin dem Vorhaben gegenüber deutlich pessimistischer eingestellt, als die Kollegen. Es kann unter gewissen Umständen schon sein, dass die Königin dorthin zieht, aber es ist eber sicher kein Muss. Ameisen ziehen im Normalfall nicht einfach so um, denn die Umzüge sind sehr ressourcenintensiv und gefährlich. Das neue Nest müsste hierfür in vielen Belangen dauerhaft höherwertiger sein, als das alte - und das können wir nicht abschließend beurteilen, da wir gar nicht wissen können, wie und wo genau "deine" Lasius emarginatus Kolonie überhaupt ihr Nest hat. Wie gesagt ist eine Nutzung als Nestteil viel wahrscheinlicher, als dass die Gyne dorthin "verlegt" wird.
Letztendlich muss dir in jedem Fall bewusst sein, dass du durch die gezielte Fütterung deine Wohnung für die Ameisen äußerst attraktiv machst und ihr Wachstum natürlich auch ankurbelst. Das scheint dich ja momentan nicht zu stören, aber die Frequentierung durch die Ameisen dürfte im Lauf der Zeit noch zunehmen, sprich: Auch mehrere Ameisenstraßen in die Wohnung oder solche an andere Plätze sind möglich. In Wohnkomplexen kannst du dadurch auch ungewollt die Frequentierung der Nachbarwohnungen erhöhen, da du die Kolonie mit Nahrung unterstützt und daher mehr Tiere entwickelt werden, die auch außerhalb deiner Wohnung weiterhin Futter suchen.
Da du selbst schreibst, in einem eigenen Habitat wäre es dir lieber, sollte dir bewusst sein, dass du die Problematik von Ameisen in der Wohnung durch das Vorgehen noch verschärfen kannst - bei ungewissem Ausgang. Es ist leider durchaus sehr gut möglich, dass du die Gyne nie zu Gesicht bekommst.