3.3. Das Nest

3.3. Das Nest



Wie man das von einem Nest erwartet ist das so zusagen der „Wohnbereich“ des Formicariums. Egal, welche Nestvariante man gewählt hat – einige werde ich im Anschluss kurz vorstellen – stellen die Ameisen an dieses Nest bestimmte Ansprüche:

1. Es muss eine angemessene Größe haben.


Ist es zu klein, reicht logischerweise der Platz nicht. Ist es zu groß, lagern die Ameisen ihren Müll in irgendeiner Kammer, statt ihn nach draußen zu transportieren, und dieser kann anfangen zu schimmeln. Die Frage, wie groß denn das Nest sein muss, ist nicht so einfach zu beantworten. Kauft man Ameisen, bekommt man diese für gewöhnlich in einem Reagenzglas mit einem kleinen Wassertank. Dieses reicht für ein kleines Gründervolk erst einmal völlig aus. Das erste kleine Nest sollte – sofern es sich um ein Nest mit festgelegten Kammern und Gängen handelt – 1 bis maximal 3 angemessen große Kammern haben. Für die genannten Arten können 1,5x3,5x1,5cm (Höhe x länge x Tiefe) als Richtwert dienen, allerdings wäre hier eine gewisse Variation sinnvoll. Die Gänge sind mit 0,5cm völlig ausreichend. Wählt man eine Nestvariante, bei der die Ameisen nicht selbst für Vergrößerung sorgen können (wie das geht, soll gleich noch erläutert werden), muss man dieses Nest erweiterbar gestalten, damit das Volk nicht ständig von einem Nest ins nächste umziehen muss (was nicht so einfach ist, wie es klingt, und eine Menge Stress bedeutet).

2. Es muss angenehm feucht sein.


Ameisen - und v.a. deren Brut - benötigen Feuchtigkeit, eine Art etwas mehr, eine andere etwas weniger. Wie man verschiedene Nester am besten befeuchtet, soll bei den einzelnen Varianten kurz erläutert werden, aber natürlich kann man auch hier wieder eigene Ideen entwickeln. Dabei gilt die alte Apothekerweisheit: erst die Dosis macht das Gift! Wie viel Wasser ein Nest verträgt, ohne es zu überfluten, muss man einfach ausprobieren – und zwar möglichst bevor dort Ameisen leben. Ein wichtiger Hinweis: auch in der beschriebenen Winterruhe muss die Feuchtigkeit stimmen! Neben Ertrinken ist die Austrocknung in der Winterruhe die häufigste Todesursache.

3. Es sollte möglichst dunkel sein.


In der Natur befinden sich die Nester z.B. in der Erde, unter Steinen, in Erdhügeln, in totem Holz und vielen anderen möglichen Nistplätzen. Gemeinsam ist diesen Orten, dass sie geschützt und von außen im Normalfall nicht einsehbar sind. In der Haltung ist das ein Problem, denn oftmals wollen wir unsere Ameisen auch bzw. gerade in ihrem Nest beobachten, denn die Königin und ihre Brut findet man ausschließlich dort. Bis heute wird allerdings angenommen, dass Ameisen keine Rezeptoren für rotes Licht besitzen, was bedeutet, dass sie kein rotes Licht wahrnehmen können (so wie der Mensch z.B. kein UV- oder Infrarotlicht wahrnehmen kann). Diese Eigenschaft nutzt man in der Haltung, um das Nest abzudunkeln. Man macht einfach rote Folie vor den einsehbaren Nestteil. Für die Ameisen ist es dort somit schön dunkel und wir können hineinschauen. Nun kann man sich natürlich über Lichtspektren streiten, denn rot ist nicht gleich rot. Aber da wohl eh kaum jemand zuhause die Wellenlänge des Lichtes, welches durch die Folie dringt, bestimmen kann, kann man sich nur per Augenschein von deren Eignung überzeugen. Es gilt: je dunkler und kräftiger das Rot ist, umso besser. Oder man investiert einige Euro mehr und kauft rote Farbfilterfolie, die hat in jedem Fall einen idealen Ton. Man kann dann auch bedenkenlos selbst mit einer kräftigen (Taschen)Lampe durch die Folie leuchten, um die Tiere besser zu beobachten - für die Ameisen bleibt es dennoch stockfinster bis dunkel.

4. Es muss ungestört bleiben.


Es sollte in jedem Fall darauf geachtet werden, dass die Ameisen im Nest auf keinen Fall durch Erschütterungen oder Lichtänderungen gestört werden. Das Nest sollte auch in keinem Fall geöffnet werden. Es sei denn, das Leben der Ameisen hängt davon ab, nur dann ist das Risiko auch nur annähernd gerechtfertigt (siehe 3.9.: Stress). Hier wird nun sicher auch klar, warum das Nest nicht zu groß sein darf: wenn Nahrungsreste erst einmal anfangen zu schimmeln, hat man unter Umständen keine Möglichkeit, diese zu entfernen. Selbiges gilt auch für die Zeit, in der die Königin gründet. Die meisten Halter ermöglichen die Gründung in einem Reagenzglas. Hier muss man allerdings den bei den Arten bereits erwähnten Unterschied machen: es gibt einerseits Ameisenarten, die in abgeschlossenen Kammern gründen (claustrale Gründung), und andererseits solche, die nebenbei auch das Nest verlassen, um auf Nahrungssuche zu gehen ( semiclaustrale Gründung). Je nachdem sollte das Nest bei der Gründung dann logischerweise verschlossen werden oder eben geöffnet bleiben. Auch hier gilt: bitte nicht stören! Das Nest sollte möglichst nicht erschüttert oder (sofern verschlossen) geöffnet werden. Auch die Fütterung im Reagenzglas oder Nest ist generell nicht zu empfehlen! Claustrale gründende Arten muss man gar nicht füttern, bis die ersten Arbeiterinnen schlüpfen, die sich dann außerhalb des Nestes um die Nahrungssuche kümmern. Semiclaustrale Arten kann man außerhalb des Nestes Futter anbieten. Es muss hier darauf hingewiesen werden, dass man nach seinem eigenen Geschmack entscheiden muss, ob man eine geschlossene Anlage baut, also Nest und Arena in ein Becken bringt, oder ob man dafür mehrere Becken baut bzw. ob man das Nest komplett außerhalb der Anlage aufstellt. Bei letzterer Variante ist aber Vorsicht geboten: manchmal sind Nester nicht vollständig dicht! Das sollen sie eigentlich auch nicht zu 100% sein, damit eine ordentliche Durchlüftung stattfinden kann. Dabei besteht natürlich Ausbruchsgefahr. Das Nest gleich mit im Becken (oder zumindest einem zusätzlichen) zu haben ist ein großer Vorteil, denn hier kann man mit den üblichen Ausbruchsicherungen (siehe 3.6.) arbeiten.

Schauen wir uns nun einige Nestvarianten an:



Das Ytongnest


Diese Nestvariante trägt den Namen eines führenden Herstellers für Porenbeton (auch unter dem Namen Gasbeton bekannt), aus welchem das Nest besteht. Diese Nestvariante ist die wahrscheinlich verbreitetste, weil sie eine Vielzahl von Vorteilen hat. Porenbeton ist sehr preiswert, leicht und lässt sich mit so ziemlich jedem Werkzeug (vom Schraubendreher bis zur Bohrmaschine) sehr einfach bearbeiten. Dabei sollte man allerdings vorsichtig sein, denn Porenbeton ist auch sehr brüchig und wenn man nicht aufpasst, können dünne Wände leicht ausbrechen. Man kann ein solches Nest liegend oder stehend verwenden, wodurch man es problemlos an die Gegebenheiten des Formicariums anpassen kann. Ein weiterer Vorteil ist, dass er sich problemlos befeuchten lässt. Dafür muss man lediglich einen Wassertank, also eine große Kammer, die sich abgetrennt von den Gängen und Kammern der Ameisen befindet, anlegen. Dieser Tank kann dann mit Watte oder Tongranulat, wie man es für Pflanzen verwendet und welches ein hervorragender Wasserspeicher ist, aufgefüllt und später bewässert werden. Wenn man die richtige Wassermenge ermittelt hat muss man nur noch gelegentlich nachfüllen und das Nest ist immer konstant feucht. Denn das Wasser wird schön kontinuierlich an das Nest abgegeben. Die richtige Wassermenge muss man, wie gesagt, vorab erproben, da es auf Nest- und Tankgröße ankommt, wie viel Feuchtigkeit notwendig ist und wie schnell diese wieder verdunstet. Man könnte den Stein natürlich auch ins Wasser stellen, wenn er aber sehr groß ist, besteht die Gefahr, dass ein Teil klatschnass, ein anderer staubtrocken ist. Zwar ist es sogar wünschenswert, wenn nicht alle Bereiche gleich feucht sind, aber diese beiden Extremzustände sind in jedem Fall zu vermeiden. Man kann das Nest natürlich auch mit einer Sprühflasche befeuchten, was aber gerade bei großen Nestern eine sehr mühsame Angelegenheit ist. Außerdem kann der Sprühnebel ein Problem für die Ausbruchsicherung darstellen, weshalb eine solche Befeuchtung als Dauerlösung weniger empfehlenswert ist. Um ein solches Nest erweiterbar zu machen – und einen ständigen Umzug wollten wir ja vermeiden – empfiehlt es sich, einige Bohrungen anzubringen, damit an dieser Stelle mit Hilfe von PVC-Schläuchen ein weiterer Nestteil angebracht werden kann. Eine andere Möglichkeit ist, das Nest gleich von Anfang an recht groß zu machen und mit einem Sand-Lehm-Gemisch aufzufüllen, damit es die Ameisen bei Bedarf selbst erweitern können. Das Problem daran ist allerdings, dass die Ameisen bei etwas tieferen Gängen evtl. so graben, dass (der) die Halter*in sie nicht sieht. Und gelegentlich kleistern die Arbeiterinnen die Scheiben auch damit zu, was den selben Effekt hat. Der Vorteil ist, dass es zum einen natürlicher ist als der blanke Stein und man zum anderen auch die Kammern nicht so filigran anlegen muss, sondern diese etwas größer machen und den Ameisen die bevorzugten Maße selbst überlassen kann. Hierbei ist in jedem Fall zu beachten, dass man zum Auffüllen eine Sand-Lehm-Mischung nimmt, nicht etwa nur Sand! Wenn der Bau nämlich (was bei Sand der Fall ist) nicht die nötige Bindung aufweist, bricht er unter umständen in sich zusammen, was den Tod der Ameisen bedeutet, die sich im betreffenden Gang aufhalten. Sand-Lehm-Mischungen findet man nur sehr selten im Zoohandel, sondern eher bei spezialisierten Ameisenshops.

Das Gipsnest


Von seinen Eigenschaften her ähnelt diese Nestvariante dem Ytongnest sehr, lediglich seine Herstellung ist ein wenig anders. Man könnte eine Art Negativ der Kammern herstellen und den flüssigen Gips darauf gießen, wodurch ein solches Nest entsteht. Außerdem kann man natürlich die Gänge und Kammern auch in einen Gipsblock einarbeiten. Die Befeuchtung funktioniert ebenfalls genau wie bei einem Ytongnest. Es wurde allerdings schon berichtet, dass ein Gipsnest (Gips ist eigentlich nicht das richtige Material für den Einsatz in ständig feuchten Bereichen) regelrecht verfault ist.

Die Ameisenfarm


Bei dieser, bei Laien wohl bekanntesten Nestvariante, handelt es sich im Prinzip um zwei geringfügig voneinander entfernte Glasscheiben. In den Hohlraum zwischen diese Scheiben wird ein Sand-Lehm-Gemisch eingebracht. Die Ameisen können nun ihr Nest in diesem Behälter selbstständig graben. Durch den geringen Abstand zwischen den Scheiben können sie die Gänge aber nur so anlegen, dass der Halter sie sieht. Etwas schwieriger ist allerdings die Befeuchtung. Auch hier könnte wieder die Sprühflasche herhalten, allerdings ist auch dies wieder sehr mühsam und dauert sehr lange, denn schließlich wollen wir ja auch nicht zu viel Wasser auf einmal ins Nest gießen, es damit überschwemmen und die Ameisen damit ertränken. Eine bessere Möglichkeit ist da ein Strohhalm oder ein dünner PVC-Schlauch, welcher bis auf den Boden der Farm führt. Über diesen kann man nicht nur einfach befeuchten, sondern genau so einfach dosieren. Wenn man noch einige winzige Löcher in den Schlauch sticht, wird die Farm noch gleichmäßiger feucht. Zu beachten ist, dass man bei vielen Farmsystemen für das Befeuchtungssystem einen der normalerweise zwei Anschlüsse "verbraucht" - man will ja dafür nicht den Deckel abnehmen müssen, was den Ameisen ein Herauslaufen ermöglichen würde. Strohhalm oder Schlauch lassen sich einfach durch diesen nach außen führen - bleibt eine Öffnung, kann man diese mit Watte fest verschließen.

Das Digfix Nest


Die Digfix Nester bestehen aus einer grabfähigen Platte. Diese kann sowohl trocken, als auch nass genutzt werden. Auch ist sie für diverse Ameisenarten geeignet, insbesondere für in Sand und in (Tot-)Holz nistenden Arten. Sie kann anstelle von Sand-Lehm-Mischungen oder den Nesteinsätzen aus Kork genutzt werden. Ein großer Vorteil ist, dass Digfix auch im nassen Zustand nicht schimmelt. So können Ameisenarten mit einem hohen Feuchtigkeitsbedarf problemlos mit genügen Wasser versorgt werden.

Das 3D Nester


3D gedruckte Nester aus verschiedenen Kunststoffen finden in den letzen Jahren immer mehr Anwender. Wobei einige Weichmacher in diesen Kunststoffen im Verdacht stehen, dass diese schädlich für die Tiere sein können. Zudem wird das Material nach einiger Zeit spröde und brüchig. Ist aber für kurze Haltungsprojekte tauglich.

Das Erdnest


Dieses Nest ist das einfachste: man bringt einfach Gartenerde, ungedüngte Blumenerde, feuchtes Sand-Lehm- Gemisch, Waldboden oder ähnliches ins Becken ein und lässt die Ameisen machen. Das klingt sehr Naturnah, was ja prinzipiell erstrebenswert ist, bringt aber unter Umständen Probleme mit sich: Einerseits sieht man rein gar nichts, was bedeutet, dass man gerade am Anfang wohl Wochen lang überhaupt keine oder nur vereinzelt Ameisen zu Gesicht bekommt (die Königin und ihre Brut so gut wie nie). Andererseits kann ich nicht sehen, wenn im Nest etwas nicht stimmt (Schimmel, zu feucht, zu trocken, ...) und bemerke erst, dass es Probleme gibt, wenn es längst zu spät ist. Sollte man sich für diese Nestvariante entscheiden, ist es wahrscheinlich ratsam, das Substrat (wie Naturmaterialien im Allgemeinen) vor ihrem Einsatz im Backofen zu sterilisieren. Steril sind dieses zwar in der Natur auch nicht, aber dort herrscht im Normalfall ein äußerst stabiles Gleichgewicht zwischen allen möglichen Pflanzen, Tieren, Mikroben usw. , welches man in einem Formicarium nur sehr schwer künstlich herstellen kann. Somit werden Stoffe in der Erde, etwa Schimmelsporen, Mikroorganismen oder auch die Brut anderer Insekten, die in der Natur recht ungefährlich sind, unter Umständen zu einem ernstzunehmenden Problem, denn sie können sich ungehindert ausbreiten. In größeren Naturbecken (Waldanlangen o.ä.), in denen der Versuch unternommen wird, die Bedingungen mit den unterschiedlichsten Organismen natürlich nachzubilden, sind unbehandelte Substrate hingegen absolut spannend und notwendig, um das Mikroklima zu erhalten. So etwas setzt aber ein ungeheures Maß an Wissen über Biologie und Ökologie im Allgemeinen und Ameisenhaltung im Speziellen voraus. Anfängern gelingt ein solch komplexes Gleichgewicht normalerweise eher nicht, was gegen unbehandelte Materialien in Einsteigeranlagen spricht. Dabei ist aber zu beachten, dass bei der Sterilisation auch viele nützliche Stoffe und Bewohner in den Materialien sterben. Schimmel zum Beispiel, dessen Sporen keinesfalls dauerhaft aus der Anlage ferngehalten werden können, kann sich unter ungünstigen Bedingungen in sterilisierten Substraten, die noch immer viele organische Stoffe enthalten und somit einen idealen Nährboden bilden, sogar schneller ausbreiten, als in nicht behandelten. Insgesamt kann an dieser Stelle kaum eine Empfehlung ausgesprochen werden, was zu bevorzugen ist. Es gibt durchaus Ameisenarten, die sich nur in solch einem Erdnest halten lassen, daher ist diese Nestform bei allen Nachteilen absolut legitim.

Das Holznest


Besonders bei holzliebenden Ameisen, bietet sich auch ein Holznest an. Die Herstellung ist recht ähnlich wie bei Ytong Nestern, mit passendem Werkzeug werden Gänge und Kammern ins Holz gebohrt oder gefräst. Und mit einer Glas oder Plexiglasplatte verschlossen. Die Befeuchtung gestaltet sich hier schon wesentlich schwieriger, da Holz vermodern kann. Auch sollte daran gedacht werden das Ameisen Kammern und Gänge im Holz erweitern könnten und dies zu möglichen Ausbrüchen führen kann. Eine natürlichere Variante eines Holznestes, wäre einem Volk einfach nur ein Holzstück zugeben und sie selber ihre Gänge und Kammern anlegen zu lassen. Dazu sind kleinere Völker aber nicht im Stande. Und man sollte sich immer bewusst sein, das ähnlich wie bei Erdnester, der Halter keinen Einblick direkt ins Nest haben könnte. Diese Nestform eignet sich nur für Arten, die in freier Natur ebenfalls in Holz nisten.

Das Korknest


Selbiges, nur mit dicken Korkplatten, statt Holz.

Ein kleiner Wegweiser zum eigenen Volk

Einleitung

2.Ameisenhaltung im Allgemeinen

2.1 Warum eigentlich Ameisen?
2.2 Die Ameisenhalterin, Der Ameisenhalter

3.Die Ameisenhaltung im speziellen

3.1 Winterruhe
3.2 Das Formicarium
3.3 Das Nest
3.4 Die Arena
3.5 Die Einrichtung
3.6 Die Ausbruchssicherung
3.7 Futter
3.8 Das erste Volk
3.9 Stress
3.10. Winterruhe

4. Gefahren durch Ameisenhaltung

4.1 Exoten
4.2 Biologische Invasion
4.3 Parasiteninfektion
4.4 Intraspezifische Homogenisierung
4.5 Fazit