3.1. Einsteigerarten

3.1. Einsteigerarten



Die erste (und zugleich auch sehr schwierige) Aufgabe der Ameisenhaltung besteht darin, aus den über 14.000 bekannten Ameisenarten (aus rund 338 Gattungen der 17 bekannten Unterfamilien) die richtige auszuwählen. Wissenschaftler gehen davon aus, dass es wohl viel mehr gibt, die allerdings bei weitem noch nicht alle entdeckt wurden.

Am einfachsten und billigsten zu beginnen ist mit einer selbst gefangenen Königin

Wie alle Tiere sind Ameisen an die klimatischen Bedingungen der Region, in der sie vorkommen, angepasst. Hält man in Deutschland eine Art aus den Tropen, muss man z.B. Temperatur und Luftfeuchtigkeit künstlichen herstellen. Die Arten, die ich im Folgenden nenne, fühlen sich bei Zimmertemperatur am wohlsten und die/der Halter*in kann sich voll und ganz auf (seine) ihre Ameisen konzentrieren. Was man im Allgemeinen als „Einsteigerarten“ bezeichnet, sind jene Ameisenarten, die sich für den Anfang als die geeignetsten erwiesen haben. Nicht, weil sie besonders einfach zu halten währen, sondern weil sie (dem) der Halter*in anfangs doch einige Haltungsfehler verzeihen. Sie sind sehr robust, während einige exotische Arten enorm anfällig gegen Stress (siehe 3.9.) sind und daran nicht selten zugrunde gehen. Außerdem gibt es unzählige Berichte über deren Haltung, so dass man sich schon vorab sehr umfangreich informieren kann.

Welche Arten sind nun die geeignetsten und was zeichnet sie speziell aus?

Im Folgenden eine erste Orientierung. Die Angaben sollen an dieser Stelle aber nicht zu genau werden, was allerdings bedeutet, dass es über diese Arten noch wesentlich mehr Interessantes zu berichten gäbe! Bevor man sich eine Ameisenart anschafft, sollte man sich über diese genauestens informieren, um sie angemessen halten zu können. Das gelingt vor allem in Internetforen im Austausch mit erfahrenen Halter*innen oder auf Seiten, die sich der Information über Ameisen verschrieben haben.

Schwarzgraue Wegameise (Lasius niger)

Lasius niger

Dies ist die wohl gebräuchlichste Einsteigerart. Sie kommt in Deutschland nahezu überall vor und so ziemlich jeder ist ihr bereits einmal begegnet. Zwar sind die Arbeiterinnen eher klein, aber sehr aktiv und ebenso aggressiv. Bei Lasius niger gibt es nur eine Königin (das nennt man monogyn). Bei entsprechend guter Pflege wächst hier recht schnell ein stattliches und sehr aktives Volk heran. Ein interessanter Fakt an dieser Art ist die so genannte Trophobiose, die man bei etwas größeren Völkern beobachten kann. Das bedeutet, dass die Ameisen Blattläuse regelrecht halten und pflegen, um den Honigtau, den die Läuse quasi als Abfallprodukt bei ihrer Ernährung produzieren und ausscheiden, als Futter zu verwerten. Man könnte sagen, Lasius niger halten Blattläuse, um sie zu melken. In der Haltung lässt sich das leider kaum simulieren, da die Pflanzen zu schnell absterben, aber diese Art ist dennoch durch ihre meist hohe Aktivität und Aggressivität interessant zu halten. Während der Gründungsphase, also bis zum Schlüpfen der ersten Arbeiterinnen, befindet sich die Königin dieser Art abgeschlossen in einer Kammer (diese Art der Gründung nennt man claustrale Gründung). In dieser Phase muss man sie nicht füttern, denn sie selbst hat Reserven, ihre Brut ernährt sie mit ihrer Flugmuskulatur, die sie nun nicht mehr benötigt (nach der Begattung werfen Königinnen normalerweise ihre Flügel ab). Noch zu erwähnen ist das diese Art sehr Volksstark werden kann und im späteren verlauf sehr hohe Ansprüche an den Ausbruchsschutz so wie an den Platzbedarf stellt

Rote Gartenameise (Myrmica rubra)

Myrmica rubra

Auch diese Ameisen sind sehr verbreitet, man findet sie, wie der Name schon sagt, sehr oft in deutschen Gärten, aber auch an anderen Orten, an denen es etwas feuchter ist. Sie sind etwas größer als Lasius niger und recht aggressiv, wodurch sie sehr beliebt sind. Ihr Rekrutierungsverhalten - darunter versteht man die Alarmierung anderer Koloniemitglieder z.B. beim Fund von Futter oder auch bei Feindkontakt, ist enorm - binnen Minuten laufen durch den Einsatz von Pheromonen Scharen weiterer Tieren herbei, um die Situation zu kontrollieren. Bei dieser Art kommen in einem Nest mehrere Königinnen vor (sie sind somit polygyn), welche allerdings einzeln weniger Eier legen als jene bei Lasius niger. Im Gegensatz zu Lasius niger verlässt eine Königin dieser Art gelegentlich ihre Gründungskammer, um nach Futter zu suchen. Diese Art der Gründung nennt man semiclaustrale Gründung. Wer einmal von dieser roten Ameise erwischt wurde, weil er ihr zu Nahe gekommen ist, weiß: das kann etwas wehtun! Der Grund dafür ist so einfach wie spannend: im Gegensatz zu den anderen hier aufgeführten Arten besitzt Myrmica rubra einen Stachel, von dem sie vergleichsweise schnell Gebrauch macht! Die Folge sind bei einer Vielzahl von Stichen schmerzhafte Rötungen und Schwellungen, ähnlich wie beim Kontakt mit einer Brennnessel.

Gelbe Wiesenameise (Lasius flavus)

Lasius flavus

Eine eher unscheinbare Ameise, die in unterirdischen Nestern in zum Teil riesigen monogynen Völkern lebt. Die Ameisen sind sehr klein und (zumindest über Tage) nicht so aktiv wie die anderen Arten. Sie betreibt, ähnlich wie Lasius niger mit Blattläusen, Trophobiose mit Wurzelläusen. Ein Nachteil als Anfängerart sollte aber nicht verschwiegen werden: durch die geringe Aktivität im Außenbereich empfinden sie viele Anfänger langweilig. Lasius flavus Königinnen gründen claustral, aber obwohl die Art wie gesagt monogyn ist, oft zusammen mit mehreren anderen Königinnen . Das nennt man Pleometrose. Sobald die ersten Arbeiterinnen schlüpfen, fangen die Königinnen an, gegeneinander zu kämpfen. In der Natur gehen diese Kämpfe normalerweise glimpflich aus und die Tiere trennen sich schließlich. Alle bis auf eine verlassen das Nest und bilden räumlich abgetrennte Zweignester (also Völker derselben Kolonie, siehe Lexikon), was man als Oligogynie bezeichnet. In der Haltung kann es allerdings Probleme geben, wenn man die Königinnen in Pleometrose gründen lässt, denn hier ist eine rechtzeitige räumliche Trennung oftmals unmöglich. Daher können die normalerweise harmlosen Kämpfe hier durchaus tödlich enden und die Königinnen müssen rechtzeitig vom Halter separiert werden.

Schwarze Sklavenameise ((Servi-)Formica fusca)

Formica fusca

Diese Art wird von Anfängern oft mit Lasius niger verwechselt, ist aber generell etwas größer und schneller. Wie Myrmica rubra ist sie polygyn, gründet aber claustral wie Lasius niger. Eine Besonderheit bei der Gründung sollte hier erwähnt werden: es werden auch Jungköniginnen (die noch keinen eigenen Staat gegründet haben) adoptiert und es kommt teilweise zu Pleometrose. Formica fusca ist im Übrigen eine Art, die häufig von einer ebenfalls einheimischen, sklavenhaltenden Art, nämlich (Rapti-)Formica sanguinea, als Dienstameise gehalten bzw. „versklavt“ wird.

Ein kleiner Wegweiser zum eigenen Volk

Einleitung

2.Ameisenhaltung im Allgemeinen

2.1 Warum eigentlich Ameisen?
2.2 Die Ameisenhalterin, Der Ameisenhalter

3.Die Ameisenhaltung im speziellen

3.1 Einsteigerarten und Winterruhe
3.2 Das Formicarium
3.3 Das Nest
3.4 Die Arena
3.5 Die Einrichtung
3.6 Die Ausbruchssicherung
3.7 Futter
3.8 Das erste Volk
3.9 Stress
3.10. Winterruhe

4. Gefahren durch Ameisenhaltung

4.1 Exoten
4.2 Biologische Invasion
4.3 Parasiteninfektion
4.4 Intraspezifische Homogenisierung
4.5 Fazit