3.9. StressStress ist eine enorm wichtige Gefahrenquelle ist und der wohl den wohl bedeutendsten Anfängerfehler darstellt. Nun wird es sicherlich niemanden wundern, dass man hier nicht von Stress auf emotionaler Ebene sprechen kann. Stress meint vielmehr eine für die Tiere negative, physikalische Situation. Die Folgen von Stress, vor allem wenn er nicht nur kurz auftritt, sondern ein Dauerzustand ist, sind vielfältig und reichen von einer gestörten Entwicklung bis zum Tod der Königin bzw. eines Teils des Volkes. Dabei sei erwähnt, dass nicht der „Stress“ selbst schädlich ist, sondern seine Auswirkungen auf den Organismus. Stress ist eine Art Alarmzustand, die den Organismus in die Lage versetzt, mit einer schwierigen Situation umzugehen. Und genau die dabei auftretenden Veränderungen sind auf Dauer schädlich. Das klingt zunächst verwirrend und letztendlich ist es auch egal, ob die Tiere nun am Stress selbst oder an dessen Folgen zugrunde gehen. Dennoch ist es wichtig, sich über diesen Sachverhalt klar zu machen. Viele Halter meinen, Stress äußere sich immer in Panik oder Flucht, dem ist aber keineswegs so. Er kann genauso gut latent und unsichtbar sein, was ihn noch gefährlicher macht, denn man bemerkt das Problem erst, wenn es zu spät ist. Oder aber er äußert sich z.B. in einem Angriff. Eine Ameise, die ihr Nest verteidigt, ist enormem Stress ausgesetzt. Und daher sollte man einen solchen Zustand auch so weit es geht vermeiden, auch wenn das Volk nicht wegen jeder kleinen Unachtsamkeit eingehen wird. Hier seien nun einige wichtige Stress verursachende Faktoren genannt. Wichtig ist dabei wieder: die folgenden Dinge sind Beispiele und nicht vollständig. Sie illustrieren nur, worauf man achten sollte. Weitere Faktoren ausfindig zu machen, die man in der Haltung besser vermeidet, sollte nach der Lektüre der folgenden Punkte niemandem mehr schwer fallen. Und wenn ihr euch nicht ganz sicher seid, könnt ihr ja jederzeit bei erfahrenen Haltern nachfragen. Vibrationen/ ErschütterungenLautsprecher und elektrische Geräte in unmittelbarer Nähe des Formicariums (siehe oben: Standort), absichtlich dort installierte Geräte (z.B. Pumpen, brummende Schreibtischlampen oder Computerlüfter zur Belüftung) oder einfach nur trampelnder Publikumsverkehr erzeugen Vibrationen, die für den Menschen zum Teil überhaupt nicht wahrnehmbar sind. Ameisen hingegen nehmen sie sehr wohl wahr. Für sie bedeuten Vibrationen in natürlicher Umgebung oft Gefahr (z.B. „jemand gräbt uns aus“), was sie in Alarmbereitschaft (Kampf/ Flucht) versetzt. Oftmals bekommt man das gar nicht mit, denn die Vibrationen sind meistens nicht stark und die Reaktion ist nicht eindeutig, man merkt es erst, wenn es schon zu spät ist. Bei der Wahl des Standortes für das Formicarium sollte hierauf unbedingt geachtet werden. NeststörungEine Öffnung des Nestes versetzt das Volk (wenn auch viel intensiver) in den selben Zustand wie Vibrationen, jedoch tritt hier normalerweise eine deutliche Panik oder ein Angriff auf den Störenfried ein. Neststörungen sollten in jedem Fall vermieden werden. Das erklärt auch, warum man sich für die Planung eines guten, leicht erweiterbaren Nestes etwas mehr Zeit nehmen sollte. LichtLicht im Nest ist in der Haltung ein Problem. Ist das Nest nicht ordnungsgemäß abgedeckt oder wird die Folie (z.B. zum Fotografieren) abgenommen, fällt Licht ins Nest, was den Ameisen wie eine Nestöffnung vorkommt. Häufig bricht Panik aus. Das Nest sollte also immer abgedeckt bleiben. Tipp an dieser Stelle: Fotos immer OHNE Blitzlicht machen! Ob dieses die Komplexaugen von Insekten schädigen kann oder nicht, ist nicht eindeutig klar, aber unter dem Stressaspekt ist eine Vermeidung ganz sicher zu empfehlen. Es gibt Halter, die der Meinung sind, ihre Tiere würden sich über die Zeit daran "gewöhnen", im Nestbereich dauerhaft Licht ausgesetzt zu sein. Dieser Vorgang ist leider nicht hinreichend wissenschaftlich erforscht und hat schon zu vielen Kontroversen geführt. Fakt ist: Ameisen sind offensichtlich weitestgehend rotblind und können daher z.B. das durch eine Rotlichtfolie ins Nest fallende Licht nicht wahrnehmen. Fakt ist auch, dass Ameisen in freier Natur niemals ihr Nest freiwillig einer Lichtquelle aussetzen, sondern im Gegenteil Schäden - natürlich auch gegen Eindringlinge - möglichst schnell reparieren und dass ein starker Lichteinfall sie auch ohne Beschädigung des Nests nervös bis panisch machen kann. Es mag sein, dass manche Kolonien tatsächlich mit der Zeit gegen mäßigen Lichteinfall "abstumpfen", aber natürlich ist diese Haltungsmethode nicht. TrockenheitIst es im Nest nicht feucht genug, sind die Ameisen ständig auf der Suche nach einem geeigneteren Lebensraum, den sie in der Haltung nur schwer finden. Anhaltende Trockenheit ist also sowohl direkt schädlich (die Tiere trocknen schlicht aus) als auch indirekt über Stress. Daher gilt: vor der Besiedelung des Nestes immer ausprobieren, wie man es optimal befeuchten muss, damit solche Probleme gar nicht erst auftauchen. WassereinbruchDas genaue Gegenteil der Trockenheit: durch übermäßiges Bewässern dringt Wasser in die Kammern ein, es herrscht akute Lebensgefahr für das Volk! Aber selbst wenn die Arbeiterinnen sich und die Brut immer wieder in Sicherheit bringen können: so etwas ist in jedem Fall Stress und sollte vermieden werden oder die Ausnahme bleiben. Auch hierfür lohnt sich ein Test der optimalen Bewässerung vor Einzug des ersten Volkes. SchimmelÜberall, wo es feucht ist und organisches Material auftritt, ist Schimmelbildung möglich. Es gibt unzählige Schimmelarten, von denen einige sogar giftig sind. Daher ist Schimmel auf jeden Fall gefährlich, wenn er im Formicarium oder sogar im Nestbereich auftritt. Hat man ihn einmal eingeschleppt, wird man ihn aufgrund der Sporen nicht so einfach wieder los und eine Entfernung der „Frucht“, also des Schimmelteils, den man sieht, ist natürlich sehr schwer oder sogar ganz unmöglich, wenn die Anlage bewohnt ist. Schimmel ist ein Pilz, welcher - wie viele andere Pilze auch - bevor er sichtbar wird ein sehr großes Pilzgeflecht, das so genannte Myzel ausbildet. Ich habe auf das Schimmelproblem schon hingewiesen. Aber man kann natürlich etwas tun: alle Gegenstände und Substrate, die man ins Nest einbringt, sollten (sofern möglich!) gekocht oder einige Zeit in den Backofen geschoben werden, damit alles, was nicht ran gehört, stirbt. Damit kann man Schimmel nicht verhindern (seine Sporen kommen quasi überall vor) und wie oben (siehe Erdnest) erläutert kann es unter ungünstigen Bedingungen (etwa eine schlechte Belüftung) möglich sein, dass man genau das Gegenteil erreicht, aber zumindest eindämmen sollte man es so können. Besser ist natürlich (soweit möglich) auf potentielle Nährböden für Schimmel weitestgehend zu verzichten, sofern sie nicht wirklich notwendig sind. Zudem sollte, wie schon angesprochen, das Nest eben auch so gebaut sein, dass die Ameisen es nicht zusätzlich als Müllhalde verwenden. Futterreste in der Arena sind gleichfalls regelmäßig zu entfernen - das hilft auch gegen "Futtermilben", auch wenn diese eher lästig als schädlich sind. FressfeindeFeinde sind natürlich Stress pur, schließlich sind sie eine echte Gefahr. Dazu gehören neben lebenden Futtertieren (z.B. wie erwähnt kleine Spinnen), aber auch andere Ameisenarten. So mancher Halter hat schon über eine Vergesellschaftung, also eine gemeinsame Haltung mehrerer Arten in einer Anlage, nachgedacht, was aber enorm schwierig und zum Teil schlicht unmöglich ist und sehr wahrscheinlich mit dem Tod mindestens eines der Völker endet. Auch solche Geschichten sind etwas für sehr erfahrene Halter und setzen ein unheimliches Wissen um die in Frage kommenden Arten voraus. Ich für meinen Teil lehne dergleichen übrigens gänzlich ab. |
Ein kleiner Wegweiser zum eigenen VolkEinleitung2.Ameisenhaltung im Allgemeinen2.1 Warum eigentlich Ameisen?2.2 Die Ameisenhalterin, Der Ameisenhalter 3.Die Ameisenhaltung im speziellen3.1 Einsteigerarten3.2 Das Formicarium 3.3 Das Nest 3.4 Die Arena 3.5 Die Einrichtung 3.6 Die Ausbruchssicherung 3.7 Futter 3.8 Das erste Volk 3.9 Stress 3.10. Winterruhe 4. Gefahren durch Ameisenhaltung4.1 Exoten4.2 Biologische Invasion 4.3 Parasiteninfektion 4.4 Intraspezifische Homogenisierung 4.5 Fazit |
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